Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
Vom Netzwerk:
der Erschöpfung überkam ihn. Auf einmal machte Caine sich keine Sorgen mehr um die Zukunft. Das brauchte er nicht mehr   … jetzt, wo er die Kontrolle wiedererlangt hatte.

Kapitel   // 35   //
    Die nächsten Tage vergingen friedlich, während Dr.   Lukin sich um Navas Verletzungen kümmerte und sie mit Schmerzmitteln versorgte. Obwohl Caine, Jasper und Nava gemeinsam in der kleinen Wohnung blieben, redeten sie nicht viel; es gab nicht viel zu besprechen. Die drei fühlten sich mit der Stille wohl, die normalerweise zwischen Menschen herrscht, die sich schon seit Jahren kennen.
    Caine gab sich alle Mühe, dem
Immer
fernzubleiben. Er tauchte nur einmal ein, um zu sehen, wie sich Bill Donelly jr. machte – 3700   Gramm und blonde Haare, wie sein Vater sie hatte. Von diesem einen kurzen Blick abgesehen, konzentrierte Caine sich allein aufs
Jetzt
. Er gestattete sich nicht einmal, die Vergangenheit zu besuchen, trotz seines unbändigen Wunsches zu erfahren, wie Doc ihn hintergangen hatte – und warum. Er wusste, dass sich durch solches Wissen nichts gewinnen ließ. Also lehnte er es ab, in das
Immer
einzutauchen.
    Indem er ihm auswich, geschahen schreckliche Dinge, die er hätte verhindern können, die jedoch zu erfreulichenEreignissen führen konnten. Aber ihn traf keine Schuld. Er wusste, dass das eine nicht ohne das andere existieren konnte. Also ließ er der Welt ihren Lauf und gestattete ihren Bewohnern, selbst über ihre Zukunft zu bestimmen, ohne dass er sich einmischte.
    Vorläufig interessierten ihn allein Nava, Jasper und das Versprechen, das er Martin Crowe gegeben hatte. Er war immer noch unsicher, wie er es halten könnte, aber er wusste, dass die Lösung nicht mehr lange auf sich warten ließ. In der Zwischenzeit konzentrierte er sich auf seinen Bruder. Im
Immer
erfuhr er, was mit Jasper nicht stimmte und warum die Psychopharmaka seine Dämonen nicht beruhigen konnten, ohne gleichzeitig seinen Geist zu betäuben.
    Ja, Jasper war schizophren, aber das war nicht sein eigentliches Leiden – es war nur eine Begleiterscheinung dessen, was ihn quälte. Seine Ärzte hatten nur zum Teil Recht gehabt, als sie sagten, dass sein Bruder Schwierigkeiten hätte, die Wirklichkeit zu erkennen. In Wahrheit war Jaspers Wahrnehmung der Wirklichkeit weit größer als die der meisten anderen Menschen, die man als «normal» bezeichnete. Sein Problem war, dass er nicht nur eine Realität wahrnahm, sondern oft mehrere zugleich.
    Wenn man eine Münze in die Luft warf und sie Kopf zeigte, sah Jasper zugleich auch Zahl, weil er die Zukunft in ihrer Vielfalt wahrnahm. Folglich sah Jasper neben seiner eigenen Realität ständig unendlich viele parallele, potenzielle Realitäten, die durch sein Bewusstsein geisterten wie Reflexionen durch ein Spiegellabyrinth. Caine wusste, dass für seinen Bruder das Heil nicht in der Biochemie lag, sondern in umfassendem Wissen, Meditation und, kurioserweise, im Schach.
    Kaum entdeckte Caine das verstaubte alte Brett unterdem Couchtisch, da wusste er es. Also stellte er die Figuren auf, und die beiden begannen zu spielen. Es war das perfekte Spiel für Jasper, um zu lernen, wie man all seine Konzentration auf die Gegenwart richtete, denn der Sinn des Spiels lag darin, die Züge des Gegners im Voraus zu erkennen, ihnen etwas entgegenzusetzen und sie in die gewünschte Richtung zu lenken. Um das zu schaffen, musste man sehr genau wahrnehmen, was gerade auf dem Spielbrett, im Hier und Jetzt, geschah.
    Die Zwillinge spielten den ganzen Tag lang, eine Partie nach der anderen. Caine erinnerte sich daran, wie er als Kind immer mit seinem Vater gespielt hatte. Aber das Schachspiel machte ihn jetzt nicht mehr traurig über den Verlust seines Vaters, sondern erfüllte ihn mit einem wehmütigen Glücksgefühl. Solange er sich an seinen Dad erinnerte, das wurde ihm klar, würde er auch immer bei ihm sein.
    Aber viel wichtiger war, dass das Spielen seinen Bruder lehrte, Kontrolle auszuüben. Langsam lernte Jasper, seine Energie auf die Gegenwart zu konzentrieren, auf die Wirklichkeit, die allein vor seinen Augen existierte, in den 32   Figuren auf den 64   Feldern, und zugleich lernte er, die Reflektionen in den unendlich vielen Spiegeln in seinem Geist auf Abstand zu halten.
    Jeden Tag zeigte Jasper Fortschritte. David Caine war klar, dass sein Bruder nie «normal» sein würde, aber Jasper würde mit der Zeit einen Grad des Wohlgefühls erreichen, der ihm bisher verschlossen geblieben war. Caine

Weitere Kostenlose Bücher