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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Herbst, seit mein Leben mit Hugos Tod aus den Fugen geraten war. Oft fragteich mich, ob das wirklich derselbe Himmel sein konnte, den ich auf Martha’s Vineyard zurückgelassen hatte. Derselbe Himmel, unter dem ich fünfzehn Jahre lang gutbehütet gelebt, Erfahrungen gesammelt, ein angenehmes Leben geführt, Karriere als Journalistin gemacht und die wundersamen Freuden der Mutterschaft und einer glücklichen Ehe erfahren hatte. Ich war einfach nicht in der Lage gewesen, meinen Mann dort zu begraben und danach selbst weiter auf der Insel zu bleiben. Ich hatte es versucht und festgestellt, dass es unmöglich war: Alles war viel zu offen dort. Hier, in New York, bremsten zahllose Grenzen die emotionalen Schwindelzustände, die so ein unerwarteter Verlust nach sich zieht.
    Er stand vor meinem Schreibtisch und lächelte mich an, als hätte er eine längst verlorengeglaubte Freundin wiedergefunden.
    «Darcy!»
    Er kannte also offensichtlich meinen Namen.
    «Arbeiten Sie auch hier?», fragte er.
    «Ja.» Ich nickte. «Bei der Lokalredaktion. Ich bin für den neuen Umweltschwerpunkt zuständig. Und Sie?»
    «Poststelle. Heute ist mein erster Tag. Ich glaube, das ist ein ganz guter Ausgangspunkt, um irgendwie weiterzukommen. Sie wissen schon, zur richtigen Zeit am richtigen Ort und so. Ich will Journalist werden, wie Sie. Zu Hause habe ich immer alle Ihre Artikel in der
Gazette
gelesen. Sie schreiben wirklich wahnsinnig gut, Darcy.»
    Jetzt hatte er schon zum zweiten Mal meinen Vornamen verwendet. Als würden wir uns kennen. Als hätten wir uns ganz offiziell vorgestellt. War das so? Hatten wir uns vor dem Kopierer auf der Insel unterhalten? Hatte ich seinen Namen nur vergessen, oder hatte ich ihn mir vielleicht gar nicht erst gemerkt? Ich nickte, lächelte und kam mir ziemlichgemein und blöd vor, bis ich schließlich eine lahme Entschuldigung zustande brachte.
    «Tut mir sehr leid, aber ich habe wohl Ihren Namen vergessen.»
    «Wir haben uns ja auch nie offiziell vorgestellt. Ich bin Joe Coffin.»
    Ich gab ihm die Hand. «Hallo, Joe. Freut mich, Sie kennenzulernen. Das ist ja wirklich nett. Ich habe niemanden mehr von der Insel getroffen, seit wir dort weggezogen sind. Sie fehlt mir richtig.»
    «Mir nicht. Ich habe mein ganzes Leben da verbracht, für mich ist es irgendwie befreiend, endlich in Amerika zu sein.»
    Amerika: So nannten die Inselbewohner das Festland, und der Name umfasste den ganzen Rest des Landes von Cape Cod bis nach Kalifornien. So abgetrennt, einmalig und isoliert fühlte man sich, wenn man nur lange genug auf Martha’s Vineyard lebte.
    «Und, sind Sie einer von den sagenumwobenen Coffins?» Der Name gehörte zu den ältesten der Insel, er ließ sich über Jahrhunderte zurückverfolgen, man sah ihn überall, auf Straßenschildern und auf Briefkästen. Hugos Nachname, Mayhew, war auch so ein allgegenwärtiger Inselname, doch als wir dort hinzogen, waren längst keine Verbindungen mehr festzustellen.
    «Kann man so sagen. Es ist der Name meiner Mutter, sie hat aber nur wenig Kontakt zu den anderen. Und Sie? Sie sind doch eine Mayhew   …»
    «Mein Mann war der Mayhew. Er hat ein bisschen Familienforschung betrieben, aber keine Verbindungen zu Inselbewohnern feststellen können. Sein Familienzweig kam offenbar erst später dazu und hat sich weiter nördlich angesiedelt, in Plymouth.»
    «Ihr Mann, klar. Dann sind wir wohl nicht entfernt verwandt. Früher hat es ja wohl viele Ehen zwischen Coffins und Mayhews gegeben.»
    «Nein, keine Chance auf entfernte Verwandtschaft.»
    Ich konnte nicht recht sagen, ob ihn das nun enttäuschte oder freute   … und einen Moment lang fragte ich mich auch, was das überhaupt für eine Rolle spielte.
    «Wissen Sie was?», begann er, und während er seinen Vorschlag formulierte, stand mir die Erinnerung plötzlich wieder ganz klar vor Augen. Genau so nachdenklich hatte ich ihn schon einmal gesehen, und jetzt fiel es mir wieder ein. «Ich habe alle Ihre Artikel gelesen»: Das hatte er schon damals zu mir gesagt, als er mir meine sortierten Kopien reichte, in dem Laden auf der Insel,
Martha’s Ships, Clips & Copy Cats
, ein mit gelben Schindeln verkleidetes Haus, das zum einzigen Fachgeschäft für Bürobedarf weit und breit umfunktioniert worden war. «Später will ich auch mal Journalist werden.» Er hatte mir seine Pläne also schon einmal anvertraut, und ich hatte nicht weiter darüber nachgedacht, es nicht einmal richtig zur Kenntnis genommen. Ich war zu dieser

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