Nur aus Leidenschaft
ballte er unwillkürlich die Fäuste. Allmächtiger, wie sehr hatte er sie vermisst!
Doch das würde er ihr nicht mitteilen. Immerhin hatte sie ihn verlassen, und das ohne eine einzige Erklärung.
Er hoffte, seine Anwesenheit so lange wie möglich verbergen zu können, während er ihrer Stimme folgte und den Gang hinunterging, wobei er ganz leise auftrat. Bei der letzten Box ange kommen, lehnte er sich ans Gatter und stützte die Arme auf den oberen Balken.
Sie stand gebückt und säuberte den Hinterhuf einer Fuchsstute von Schmutz und Kieseln.
Abgetragene Jeans umschlossen ihre langen Beine und den schlanken Po, dessen Form an ein umgekehrtes Herz erinnerte. Ein hellgelbes T-Shirt, ordentlich in den Hosenbund gesteckt, spannte sich über ihrem Rücken. Der Schirm einer fleckigen Mütze warf Schatten auf ihr Gesicht, und ihr Haar, das fast die gleiche Farbe hatte wie das glatte Fell der Stute, ergoss sich wie ein Wasserfall unter der Mütze hervor über ihre Schultern.
Bei ihrem Anblick zog sich sein Herz zusammen.
„Hallo, Carol."
Sie ließ den Huf der Stute los und fuhr herum. Ihre grünen Augen weiteten sich, und er war froh, dass er im Vorteil war, weil er den Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte. Wäre es umgekehrt gewesen, und sie wäre unversehens vor ihm aufge taucht, wäre er vielleicht ohnmächtig umgefallen - oder in Tränen ausgebrochen. Und er wusste nicht, was er schlimmer gefunden hätte.
Ihr Blick wurde abweisend, und sie drehte ihm den Rücken zu. Sie beugte sich hinunter und nahm den Huf wieder hoch.
„Hallo, Pete", sagte sie knapp.
„Ich habe dich gestern Abend beim Rodeo gesehen. Warst du gekommen, um mich reiten zu sehen?"
Sie warf ihm einen ärgerlichen Blick über die Schulter zu. „Das möchtest du wohl, was?"
Carol wandte sich erneut ihrer Arbeit zu und sagte: „Wenn du zu Clayton willst, er ist nicht da."
Ihre Bemerkung tat weh, aber Pete hatte nichts anderes von ihr erwartet. Vor zwei Jahren hatte sie ihm klargemacht, dass sie ihn nicht wieder sehen wolle. Was sie nic ht klargemacht hatte, das war der Grund.
„Ich will nicht zu Clayton", erklärte er. „Ich kümmere mich um die Ranch, solange er hinter Rena herjagt."
„Da vergeudet er seine Zeit."
Pete öffnete das Gatter, trat in die Box und machte hinter sich zu. „Wieso gla ubst du das?"
„Rena ist endlich klug geworden und hat erkannt, dass Clayton gar keine Ehefrau will."
„Aber er hat sie doch geheiratet, nicht?"
Sie setzte den Huf der Stute ab und drehte sich langsam zu ihm um. „Nur weil er musste."
Carol warf den Hufkratzer in den Werkzeugkasten und nahm eine Bürste heraus. Eine Hand gegen den mächtigen Rumpf des Pferdes gestemmt, begann sie, das Fell auf der anderen Seite zu striegeln.
Pete sah ihr zu und fragte sich, ob sie absichtlich diese Barriere zwischen sie legte.
„Clayton musste überhaupt nichts. Er hat Rena aus freien Stücken geheiratet."
Sie lachte trocken auf, während sie den Hals der Stute bearbeitete. „Na klar. Und deshalb verbringt er die meiste Zeit unterwegs, ist kaum zu Hause und fragt nicht nach seiner Frau und den Kindern."
Pete wusste, dass sie Recht hatte. Er hatte sich deswegen ja selbst schon Gedanken gemacht und Clayton ständig ermahnt, Rena anzurufen. Dennoch fühlte er sich verpflichtet, seinen Freund zu verteidigen. „Du weißt doch, wie es auf Rodeo-Tourneen läuft. Man hetzt von einem Termin zum nächsten und bekommt viel zu wenig Schlaf. Frühstück in einem Staat, Abendessen in einem anderen."
Carol unterbrach ihre Tätigkeit und hob den Kopf. Sie schaute auf das Handy, das aus seiner Brusttasche ragte. Langsam richtete sie den Blick auf seine Augen und zog die Brauen hoch. „Weißt du, Technik ist etwas Faszinierendes. Man braucht nur zum Telefon zu greifen und eine Nummer einzutippen, egal wo oder zu welcher Uhrzeit." Sie schüttelte den Kopf und striegelte weiter. „Tut mir Leid, Pete. Die Entschuldigung lasse ich nicht gelten."
Frustriert hob er die Hände. „Okay, Clayton ist kein Mustergatte."
„Er ist überhaupt kein Gatte, und auch kein Vater."
Pete trat dicht an die Stute heran und starrte über ihren Rücken Carol empört an. „Moment mal, ja? Clayton liebt seine Kinder."
Sie hörte auf zu bürsten und legte den Unterarm auf den Rücken des Pferdes. „Ja, vermutlich", sagte sie und sah ihn unge rührt an. „Das Traurige ist nur, dass er nicht weiß, wie er es ihnen zeigen kann."
„Und du bist eine Expertin, wenn es um
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