Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
schon für einen Sinn, sich zu engagieren, sich hervorzutun, zu nehmen, was einem zusteht, und einen Platz für sich einzufordern? Am besten ist es, möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, seine Stärken und Schwächen zu verbergen und sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
Sie mussten einige Stunden im Wartezimmer der Notauf nahme verbringen. Sjöberg hatte sich lediglich für ein paar Minuten entfernt und zwei Tassen dünnen Kaffee aus einem Automaten gezogen, ansonsten saßen sie da und blätterten in alten Zeitschriften. Sie wechselten nur wenige Worte, denn man unterhielt sich nicht, wenn man unter Leuten war, aber jedes Mal, wenn ein neuer Patient auftauchte, schauten sie beide neugierig für ein paar Sekunden auf. Seine Mutter lehnte es kategorisch ab, sich im Wartezimmer hinzulegen, und blieb geduldig auf ihrem Stuhl sitzen, bis sie gegen halb zwei aufgerufen wurde.
Die Ärztin bestätigte, dass wirklich ein paar Rippen gebrochen waren, und seine Mutter wurde im Rollstuhl zu einer Station gefahren, in der sie, zumindest über Nacht, zum Röntgen und zur Beobachtung bleiben sollte. Sjöberg deckte sie gut zu und versprach, sich am nächsten Tag bei ihr zu melden. Als er sie am Samstagmorgen gegen halb drei schließlich verließ, war sie bereits eingeschlafen.
Sjöberg musste ausgiebig gähnen, als er in den Krankenhausflur hinaustrat. Er schaute sich nach irgendwelchen Hinweisen um, die ihm verraten würden, in welche Richtung er gehen musste, um das riesige Krankenhaus zu verlassen. Weiter hinten im Flur konnte er ein paar Hinweistafeln ausmachen, und er lenkte seine Schritte dorthin. Zwei Krankenschwestern kamen ihm entgegen, die er nach dem Weg fragen wollte. Aber dann brachte er vor lauter Überraschung kein Wort mehr heraus.
Eine der Krankenschwestern war ihm nur allzu gut bekannt, ihr roter Haarschopf und ihre lebendigen, grünen Augen. Sie war die Frau im Fenster, die Frau, die ihn seit vielen Monaten jede Nacht plagte. In seinen Träumen waren ihre Gesichtszüge allmählich immer verschwommener geworden, weil es mittlerweile fast ein Jahr her war, dass er sie zuletzt gesehen hatte – Margit Olofsson. Aber ihre Haare waren immer dieselben geblieben, und jetzt stand er hier und stotterte und wusste nicht, wohin mit sich. Das ist doch einfach nur lächerlich, konnte er gerade noch denken, die Frau wusste schließlich nichts von seinen absurden Träumen. Im vergangenen Jahr waren sie einander zwei, drei Mal im Laufe einer Mordermittlung begegnet und hatten nicht viele Worte miteinander gewechselt. Was war bloß mit ihm los? Ihre neutrale Miene machte einem Ausdruck des Wiedererkennens Platz, und sie lächelte bereits breit, als er endlich einen unbeholfenen Gruß über die Lippen brachte.
»Hallo«, murmelte er schließlich unsicher. »Margit Olofsson …«
»Der Kommissar! Sich nach so langer Zeit noch an meinen Namen erinnern zu können, Hut ab! Da muss ich ja eine der Hauptverdächtigen gewesen sein!«, scherzte sie.
Die andere Krankenschwester ging weiter den Flur hinunter und ließ die beiden allein. Sjöberg wusste nichts zu erwidern, doch Margit Olofsson sagte:
»Was machst du hier? Dem nächsten Mörder auf der Spur?«
»Nein, meine Mutter hat sich ein paar Rippen gebrochen, und ich musste sie hierherbringen. Wir sitzen seit elf Uhr in der Notaufnahme, und jetzt bleibt sie über Nacht zur Beobachtung hier. Arbeitest du nachts?«
»Ja, manchmal. Aber heute Nacht war es zum Glück ziemlich ruhig.«
Sjöberg wusste nicht, was ihn auf die Idee gebracht hatte, aber ehe er noch darüber nachdenken konnte, hörte er sich selbst sagen:
»Darf ich dich zu einem Kaffee einladen?«
Um dieser – seinem Empfinden zufolge – sozialen Tölpelei, die für Margit Olofsson vermutlich nicht die geringste Bedeutung hatte, ein wenig die Spitze zu nehmen, fügte er hinzu:
»Also, ich habe das Gefühl, dass ich gerade dringend einen Kaffee brauche, damit ich nicht hinter dem Steuer einschlafe.«
»Warum nicht?«, antwortete Margit Olofsson. »Ich muss nur kurz Bescheid sagen, dass ich eine Pause mache. Warte hier auf mich, dann werde ich dich durch das Labyrinth von Huddinge lotsen.«
»Und wie geht es ihr jetzt?«, fragte Margit Olofsson, als sie sich mit zwei Tassen Kaffee in der Krankenhauscafeteria gegenübersaßen.
»Eigentlich ganz gut. Sie wollen sie noch röntgen, um sicherzugehen, dass ihre Lunge nicht punktiert ist oder so etwas. Vielleicht kann sie morgen schon
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