Nur die Küsse zählen
fragte sich, was eigentlich so toll daran sein sollte, im Fernsehen zu sein. Sicher, die Bezahlung war gut, aber was hatte man am Ende des Tages vollbracht?
Der Moderator und Geoff verfielen in eine angeregte Unterhaltung,in der beide viel mit den Händen gestikulierten. Ein paar Minuten später wurden alle möglichen Teilnehmer auf die Bühne geführt. Den Vorhang zierte das Logo des Fernsehsenders – die stilisierten Buchstaben sagten Finn nichts. Er schaute selten fern, schon gar keine Sendung der Privatsender.
Er sah ein paar Leute, die weit über vierzig waren, viele sehr gut aussehende junge Leute Mitte zwanzig, ein paar gewöhnliche Typen, die vollkommen fehl am Platz wirkten, und die Zwillinge.
Finn musste sich sehr zusammenreißen, um nicht auf die Bühne zu stapfen, sich die beiden unter den Arm zu klemmen und zum Flughafen zu fahren. Was ihn davon abhielt, war zum einen die Tatsache, dass er es kaum schaffen würde, einen, geschweige denn beide Brüder so ohne Weiteres zu bezwingen. Sie waren genauso groß wie er. Und obwohl er mehr Muskeln und Kampferfahrung hatte, lag ihm zu viel an ihnen, als dass er ihnen hätte wehtun können. Zum anderen hatte er das dumpfe Gefühl, dass jemand von der Produktionsgesellschaft die Polizei rufen und sich die Lage dann nur noch verschlimmern würde.
„Sie sehen gerade sehr entschlossen aus“, sagte Dakota und stellte sich neben ihn. „Haben Sie vor, die beiden zu kidnappen?“
Finn war von ihren Fähigkeiten, seine Gedanken zu lesen, beeindruckt. „Wollen Sie meine Komplizin sein?“
„Ich habe es mir zur Regel gemacht, Situationen aus dem Weg zu gehen, bei denen ich im Gefängnis landen kann. Ich weiß, das macht mich auf Partys zum Spielverderber, aber damit kann ich leben.“
Als er sie ansah, erkannte er, dass ihre braunen Augen amüsiert funkelten.
„Sie nehmen meinen Schmerz nicht ernst genug“, stellte er fest.
„Ihr Schmerz findet in Ihrem Kopf statt. Sie wissen, dass Ihre Brüder durchaus in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen.“
„Wenn man die letzten achtundvierzig Stunden außer Acht lässt.“
„Dem stimme ich nicht zu.“ Sie wandte sich zur Bühne. „Jeder hat es verdient, seinem Traum zu folgen.“
„Sie sollten lieber das College beenden und sich häuslich niederlassen“, grummelte er.
„Haben Sie das getan?“
Er musterte seine Brüder aus der Ferne. „Sicher. Ich bin ein Musterbeispiel an Verantwortungsgefühl.“
„Weil Sie es sein mussten. Wie sind Sie gewesen, bevor Ihre Eltern gestorben sind und Sie mit zwei Dreizehnjährigen zurückgelassen haben? Irgendwie habe ich den Eindruck, Sie waren viel wilder, als die zwei es je gewesen sind.“
Verdammt, sie hatte recht. Er verlagerte das Gewicht aufs andere Bein. „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.“
„Erwarten Sie, dass ich das glaube?“
„Ich war vielleicht ein kleines bisschen weniger verantwortungsbewusst.“
„Ein kleines bisschen?“
Ich war total verrückt, dachte er, weigerte sich aber, das zuzugeben. Er hatte Partys und Frauen geliebt und in seinem Flugzeug sämtlichen Gesetzen der Physik getrotzt. Was er getan hatte, war weit über das bloße Austesten von Grenzen hinausgegangen – er war absolut leichtsinnig gewesen.
„Das war etwas anderes“, erklärte er. „Wir wussten nicht, was passieren könnte.“
„Wollen Sie damit sagen, die beiden wissen es und sollten sich entsprechend verhalten? Sie sind einundzwanzig. Geben Sie ihnen eine Chance.“
„Die gebe ich ihnen, wenn sie zurück aufs College gehen.“
„Dummer, dummer Mann.“ Sie bedachte ihn mit einem amüsierten Blick, in dem aber auch ein Hauch Mitleid lag.
Unter normalen Umständen hätte ihn das vermutlich genervt, aber er stellte fest, dass er es genoss, Zeit mit Dakota zu verbringen. Selbst wenn sie ihm widersprach, hörte er gern, was sie zu sagen hatte.
Plötzlich war er sich bewusst, wie nah sie in den dunklen Schatten hinter der Bühne bei ihm stand. Von hier aus konntensie alles beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Eine Sekunde lang fragte er sich, was er unter anderen Umständen von Dakota gehalten hätte. Wäre er nicht wegen seiner Brüder hier. Müsste er sich nicht um deren Wohlergehen sorgen. Wäre er einfach ein Mann, der von einer attraktiven Frau mit einem Mörderlächeln fasziniert war.
Aber die gegebenen Umstände gestatteten keine Ablenkung. Finn hatte sich das Versprechen gegeben, zuerst seine Brüder durchs College zu bringen und
Weitere Kostenlose Bücher