Nur die Küsse zählen
flankiert. Dahinter führten drei Stufen in ein etwas tiefer gelegenes Wohnzimmer. Die vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster boten einen Ausblick auf das Piratenschiff, das vor Treasure Island auf dem Wasser lag.
Langsam drehte sich Aurelia um die eigene Achse und nahm alles in sich auf. Dann schaute sie Stephen an. „Ich verstehe das nicht. Das hier kann nicht mein Zimmer sein. Es ist so wunderschön.“Sie lachte. „Sag mir bitte, dass wir hier nie wieder wegmüssen.“
„Wenn wir unten den Jackpot knacken, können wir so lange bleiben, wie du willst“, sagte er.
Aurelia lächelte. „Das würde mir gefallen.“
Sie vereinbarten, sich in einer halben Stunde zu treffen und gemeinsam ins Kasino hinunterzugehen. Aurelia nutzte die Zeit, um sich das braune Haar auf Lockenwickler aufzudrehen und zu beten, dass es danach einigermaßen aussähe. Sie schlüpfte in eine weiße Jeans und eine türkisfarbene Seidenbluse, die sie vor beinah einem Jahr im Ausverkauf erstanden hatte.
Normalerweise gab sie nicht viel Geld für ihre Freizeitkleidung aus. Ihr gesamtes Budget dafür gab sie für Büro-Outfits und Kostüme aus. Und alles, was sie nicht für den eigenen Lebensunterhalt benötigte, ging entweder an ihre Mutter oder landete auf ihrem Sparbuch. Aber die Seidenbluse hatte Aurelia so gut gefallen, dass sie einfach nicht hatte widerstehen können.
Nachdem sie ihre neu erworbenen Kosmetikartikel auf der marmornen Ablagefläche im Bad ausgebreitet hatte, cremte sie sich erst das Gesicht ein und legte dann sorgfältig Concealer auf. Die pudrige Foundation war wirklich so leicht aufzutragen, wie die Frau in der Parfümerie versprochen hatte. Die Augen schminkte sie sich nur leicht, indem sie einen taupefarbenen Lidschatten benutzte und die Wimpern tuschte. Danach folgten ein wenig Rouge und ein leichter Lipgloss. Ganz zum Schluss drehte Aurelia dann die heißen Wickler heraus und kämmte sich das Haar mit den Fingern durch. Sie beugte sich vor und sprühte die Haare großzügig mit Haarspray ein. Dann richtete sie sich auf, warf den Kopf in den Nacken und betrachtete sich im Spiegel.
In einem Badezimmer voller Spiegel gab es kein Entkommen vor der Realität. Doch dieses Mal war es gar nicht so schlimm. Aurelia betrachtete sich von allen Seiten. Sie würde niemals umwerfend aussehen, aber zum ersten Mal im Leben war sie hübsch. Zumindest fühlte sie sich so, und das musste reichen.
Sie war gerade in ihre Schuhe geschlüpft, als Stephen an die Tür klopfte. Aurelia nahm ihre Handtasche und ging zur Tür.
„Hey“, sagte sie und hoffte, nicht so atemlos zu klingen, wie sie sich fühlte.
„Selber hey“, setzte er an, hielt dann jedoch inne und starrte sie an. „Wow, du siehst umwerfend aus!“
„Danke.“
Sie war sich des Kameramannes, der direkt hinter Stephen stand, wohl bewusst. Einen Moment lang wünschte sie, es wären nur sie beide. Dass ein Bruchteil ihrer gemeinsamen Zeit real sein könnte. Nur genau das war es nicht, daran musste sie immer denken.
„Was willst du als Erstes machen?“, fragte Stephen. „Einarmige Banditen, Blackjack oder lieber Roulette?“
„Ich war noch nie in einem Kasino“, gab sie zu. „Was schlägst du vor?“
Während sie sich unterhielten, gingen sie zu den Fahrstühlen. Stephen drückte den Knopf nach unten. Die Tür öffnete sich sofort. Als sie den Fahrstuhl betraten, spürte Aurelia, dass Stephen seine Hand an ihren unteren Rücken legte.
Das hat nichts zu bedeuten, sagte sie sich. Männer machten so etwas andauernd. Sie hatte doch gerade erst gesehen, wie Finn es bei Dakota gemacht hatte. Und trotzdem kam sie nicht umhin, zu bemerken, wie gut sich seine Berührung anfühlte. Die Seide ihrer Bluse schien die Hitze seiner Hand noch zu verstärken. Als der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte, war Aurelia ein wenig schwindelig. Sie redete sich ein, das käme von der schnellen Abwärtsbewegung und von nichts sonst.
Wenig später verließen sie den Fahrstuhl und traten mitten hinein in das verrückte Chaos. Es war lustig und grell und laut. Aurelia wusste gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte.
„Hast du Hunger?“ Stephen zeigte auf das „Grand Lux Café“.
„Vielleicht später“, erwiderte sie. Im Moment war sie viel zu aufgeregt, um etwas zu essen. Es gab einfach viel zu viel zu sehen.
Ein älteres Pärchen ging an ihnen vorbei. „Ist es nicht schön,wenn Familien gemeinsam verreisen, George?“, fragte die Frau. „Guck, sie hat ihren jüngeren
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