Nur ein einziger Kuss, Mylord?
zurückzuweisen.
Ebenso wie es einfacher wäre, Nan zu ihren Angehörigen zu geben, Unterhalt für sie zu zahlen und sich aus weiteren Verwicklungen herauszuhalten. Einfacher und sicherer. Denn er machte sich nichts vor – der Weg, den er eingeschlagen hatte, war schwierig. Es würde immer Menschen geben, die seinen Schritt verurteilten und auf Nan herabsahen. Er konnte nicht beeinflussen, was die Gesellschaft über ihn dachte, aber er war fest entschlossen, seine kleine Schwester zu beschützen.
„All diese Spielsachen“, fuhr er an Nan gewandt fort, „von denen einige für mich gemacht wurden, andere für unseren Vater und seine Schwestern – sie alle kümmert es nicht, wer mit ihnen spielt. Sie gehören einfach hierher, genau wie die Kinder. Davy wird bestimmt oft in dieses Zimmer kommen, und in einem Jahr oder so vielleicht noch ein Kind …“ Er sah über die Schulter und warf Christy einen raschen Blick zu, doch sie stand mit dem Rücken zu ihm und war damit beschäftigt, Kleidungsstücke zusammenzufalten und in einen Wäschekorb zu legen. Mit einem tiefen Atemzug drehte er sich wieder zu Nan. „Du wirst vielleicht teilen müssen, aber ich glaube nicht, dass es dir etwas ausmacht. Solange du möchtest, kannst du mit allem spielen, was du hier findest. Dies ist jetzt dein Zuhause, und du gehörst hierher genau wie die Spielsachen.“
Nan antwortete nichts darauf. Stattdessen wand sie sich aus seiner Umarmung und beugte sich vor, um die Löwin aufzuheben. Mit großer Vorsicht setzte sie das geschnitzte Tier neben seinen Gefährten.
„So ist es richtig“, sagte Julian. Seine Kehle fühlte sich merkwürdig eng an. „Zusammen sind sie glücklicher.“ Er bemerkte, dass Christy sich umgedreht hatte und ihn und Nan beobachtete. „Der gute Rex wäre ein bisschen einsam ohne sie. Und er ist entschieden besser dran, wenn sie ihm den Weg zeigt.“
Er schaute auf und begegnete dem Blick seiner Gemahlin.
Christy stockte der Atem, als sie ihn ansah. Sie mahnte sich, nicht zu viel in seine Worte hineinzudeuten. Er hatte sich entschlossen, Nan bei sich aufzunehmen, mehr war es nicht. Nein – es war alles. Das Schönste, was passieren konnte. Und viel wichtiger als ihre törichten romantischen Träumereien.
Sie konnte nichts sagen, und nach einem Augenblick murmelte er Nan etwas zu, drückte sanft ihre Schulter, bevor er sich geschmeidig erhob und vor sie hintrat.
„Komm, Christy.“ Er nahm sie bei der Hand und führte sie aus dem Kinderzimmer in den Korridor.
„Manchmal“, sagte er weich, „fällt es schwer, das zu erkennen, was offensichtlich ist.“
Sie holte vorsichtig Luft. Er hatte recht. Manchmal war es schwer, Tatsachen als das zu erkennen, was sie waren. Etwa dass sie unterschiedliche Gefühle füreinander hegten. Liebe hatte letzte Nacht für ihn keine Rolle gespielt. Nein, für ihn nicht.
Und dennoch fühlte sich die Berührung seiner Finger, die er zu ihrer Wange gehoben hatte, an wie eine Bitte, sie lieben zu dürfen. Nur körperlich, rief sie sich in Erinnerung. Er war ein überwältigender Liebhaber, und sie hatte sich einmal zum Narren gemacht. Ein zweites Mal würde sie es nicht tun.
Trotzdem schmerzte ihr Herz vor Sehnsucht. Nicht so sehr vor Sehnsucht, ihn die Worte sagen zu hören, sondern sie selber sagen zu dürfen. Sagen zu dürfen, ohne sie abgetan zu hören als eine typische weibliche Rechtfertigung für die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse. Als einen Ausdruck von Dankbarkeit.
Abgetan. Zurückgewiesen als etwas Geschmackloses, Gewöhnliches. Es kam ihr vor, als habe sie eine Tür geöffnet, der sie nie hatte nahe kommen wollen, und dahinter eine wundervolle neue Welt entdeckt – nur um sich auf der Schwelle festgehalten zu finden.
„Christy?“
Es gelang ihr zu lächeln. Er wollte ihr zu verstehen geben, dass sie ihm geholfen hatte zu sehen, was das Richtige für Nan war. Er respektierte sie, und damit musste sie sich begnügen.
Mit der freien Hand hob Julian ihre Finger an seine Lippen, küsste den schweren Goldreif, das Symbol ihres Ehebündnisses. „Dieses Zitat, das du mir gestern an den Kopf warfst – ich habe es nachgelesen.“
Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, dass ihr verwegener Gatte auf der Suche nach einem Wort des Apostels Paulus in der Bibel geblättert haben sollte.
„Paulus äußert sich ziemlich unmissverständlich über das Thema Liebe“, fuhr Julian mit einem schiefen Lächeln fort. „Er lässt keine Ausflucht zu. Und auch wenn ich
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