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Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Titel: Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Tourmalin
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leicht, während sie spricht. Er ist ein außergewöhnlich guter Zuhörer, das muss man ihm lassen.
    Spontan fällt mir ein, wie wir uns damals kennen gelernt haben. Es war zu Beginn meines fünften Semesters an der Uni, ich kam mir schon wahnsinnig erfahren vor, wie ein richtig alter Uni-Hase. Ich hatte den Plan. Nicht irgendeinen Plan A, B, C oder D. Nein, ich hatte DEN Plan.
    Ich hatte schon gute Beziehungen und schlechte, ich habe Prüfungen gut und andere weniger gut bestanden, kurzum: Ich dachte, ich wüsste, wie es läuft und mir könnte keiner mehr etwas vormachen.
    An dem Tag, an dem ich George zum ersten Mal traf, war ich auf dem Weg zu einer Vorlesung über die Dichtung im Mittelhochdeutschen. Vorher wollte ich mir noch schnell einen Kaffee in der Cafeteria besorgen, obwohl ich schon etwas spät dran war.
    Ich stand in der Schlange, trippelte von einem Bein auf das andere und sah nervös auf die Uhr. Nur noch einer vor mir, gut. Doch dieser Kerl wusste anscheinend nicht, dass man in der Cafeteria nicht in bar zahlen konnte. Dazu benutzten wir den aufladbaren Chip, der in unseren Universitätsausweis integriert war. Mit unserer Studi-Card konnten wir auch kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, in der Uni-Bibliothek Bücher ausleihen und mit der Chipkartenfunktion bezahlten wir unsere Kopien und eben auch das Essen.
    Davon wusste dieser Typ zu meinem Ärger nichts und wollte unbedingt sein Salami-Käse-Sandwich und die Cola in bar bezahlen. Schätzungsweise zehn Jahre älter als ich, aber keine Ahnung vom Leben. Typisch Langzeitstudent eben, dachte ich mir.
    Er sah nicht schlecht aus, ein bisschen wie Eric Dane, alias Dr. Mark Sloan aus ‚Grey’s Anatomy‘. Daher half ich ihm und bat die Kassiererin, seinen Betrag von meiner Karte abzubuchen.
    „ Äh, thank you so much“, sagte er und lächelte mich verlegen an.
    „ Ach, das ist schon in Ordnung. Du bist sicher neu hier“, antwortete ich – ein bisschen großspurig.
    „ Ja, ich bin George“, stellte er sich vor. „Jetzt schulde ich dir was.“
    „ Ich bin Hilda“, sagte ich, „und ich hab’s eilig. Ich komme sonst zu spät in die Vorlesung. ‚Dichtung im Mittelhochdeutschen‘.“ War ich cool – dachte ich.
    „ Das trifft sich gut, da muss ich auch hin, und ich kenne die Wege hier noch nicht so gut. Dann schließe ich mich dir an“, strahlte George und fand mich auch total cool – dachte ich. Meine Gelegenheit, mich noch etwas mehr aufzuspielen.
    „ Klar, komm nur mit. Aber ich sag‘ dir gleich, dieser Typ, Darnett, scheint ein neuer Dozent zu sein. Ich kenne ihn nämlich nicht. Ich hoffe, dass er keine Anwesenheitsliste führt. Dann brauche ich mir diesen langweiligen Mittelalter-Kram nicht anzuhören und lasse mir trotzdem am Ende des Semesters eine Teilnahmebescheinigung ausstellen. Das checke ich nur schnell ab. Ich setze mich ganz hinten rein, und wenn es keine Liste gibt, dann verzieh ich mich direkt wieder“, erklärte ich ihm mit aller Gleichgültigkeit, die ich aufbieten konnte.
    „ So, wir sind da, hier ist der Hörsaal“, deutete ich mit einer so lässigen Handbewegung auf das Schild mit der Raumnummer, dass ich selbst überrascht war, wie lässig ich doch war. So lässig. So cool.
    George nickte mir freundlich zu und ließ mich zuerst in den Hörsaal eintreten. Ich setzte mich – wie angekündigt – auf einen Platz in der letzten Reihe, davon ausgehend, dass er sich neben mich setzen würde – ich war doch einfach zu cool. Und er war neu und kannte noch niemanden, die Chance konnte er sich nicht entgehen lassen – dachte ich.
    Zu meinem Entsetzen ging er an mir vorbei, ging weiter nach vorn.
    „ George“, zischte ich, SEIN Fauxpas war MIR regelrecht peinlich, „nicht, vorne sitzen immer nur die Streber.“
    Er zwinkerte mir zu, ging weiter – und betrat das Podium.
    Ich wusste zuerst nicht, was ich davon halten sollte, so verdutzt war ich. Er ging zum Mikrofon. Er nahm es. Er schaltete es ein. Er sagte: „Guten Tag liebe Studentinnen und Studenten. Herzlich willkommen zu meiner Vorlesung ‚Die Dichtung des Mittelhochdeutschen‘. Ich bin George Darnett und freue mich über Ihr reges Interesse an dieser Veranstaltung.“
    Er sah mir direkt in die Augen und zwinkerte wieder. Ich wollte im Erdboden versinken. Ich wollte unsichtbar sein. Ich wollte sterben. Mit hochrotem Kopf saß ich da und starrte auf den Tisch vor mir, ich traute mich nicht, den Blick zu heben. An meinen tollen Plan – checken, ob

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