Nur einen Kuss, Kate!
ihm, er solle Sie fragen.” Keck setzte sie hinzu: “Eine Antwort konnte ich ihm nicht geben, da ich ja entführt wurde. Ich weiß weder, warum Sie mich an diesen Ort brachten, noch weiß ich, was Sie für mich planen.”
Lady Cahill nickte zustimmend. “Um die Wahrheit zu sagen, hatte ich gestern noch überhaupt keinen Plan, außer dich aus diesem schrecklichen Haus fortzuschaffen und zu verhindern, dass du dein Leben ruinierst.”
“Ich soll mein Leben ruinieren? Wie das?”
“Still, Mädchen, reg dich nicht auf. Wenn du dich als Dienstmädchen verdingt hättest, wäre es um deine Heiratschancen geschehen gewesen.”
“Heiratschancen!” Kate stieß es verächtlich hervor.
“Jawohl, Miss!”, fuhr Lady Cahill sie an. “Du bist noch kein sitzen gebliebenes Mädchen. Du bist guter Herkunft, recht ansehnlich, und es geht nicht an, dass dein Eigensinn dein Leben ruiniert.”
“Keine Rede davon. Ich bemühe mich, mein Leben allein zu meistern, und lasse mich davon nicht abbringen.”
Kate sprang auf und fing an, im Zimmer auf und ab zu laufen. Ihr lag sehr daran, Lady Cahill alles begreiflich zu machen, vor allem, dass eine Ehe für sie nicht infrage kam. Sie war ruiniert, und selbst wenn sie versuchte, diesen Umstand zu verbergen, würde er schließlich doch ans Tageslicht kommen. Ihr lag jedoch nichts daran, vor dieser herrschsüchtigen alten Frau, deren scharfe Zunge ihr gutes Herz verbarg, die ganze Geschichte auszubreiten. Es war feige, gewiss, aber wenn sie sich den Respekt Lady Cahills bewahren konnte, und sei es durch Verheimlichen, dann würde sie es tun. Sie musste sie auf andere Weise überzeugen.
“Ich weiß, dass Sie es gut mit mir meinen, aber ich kann Ihre Wohltaten nicht annehmen. Ich war es zu lange gewöhnt, meinem Vater den Haushalt zu führen und viel mehr Verantwortung zu tragen als andere Mädchen meines Alters und Standes.”
“Schweig von Wohltaten”, fuhr Lady Cahill sie an.
“Madam, sehen Sie mich doch an. Sehen Sie meine Kleidung. Sie sagten, ich solle als Ihr Gast bei Ihnen leben, und Sie wollten mich in die Gesellschaft einführen. Können Sie sich vorstellen, dass ich in dieser Aufmachung Besuche mache und auf Bälle gehe?” Sie deutete auf ihr abgetragenes Kleid.
Lady Cahill starrte sie fassungslos an. “Natürlich nicht! Diese Lumpen würde ich meiner niedrigsten Magd nicht zumuten.” Kopfschüttelnd lehnte sie sich zurück. “Natürlich bekommst du alles Nötige – Kleider, Abendroben, Handschuhe, Hüte, Schirme, Accessoires – alles, was du dir wünschst.”
“So ist es, Madam. Ich müsste Sie um jede Kleinigkeit bitten, und das wäre mir unerträglich.”
“Ach was!”, schnaubte Lady Cahill.
“Außerdem verfüge ich über keine nennenswerten gesellschaftlichen Talente. Ich spiele kein Instrument, kann nicht malen. Ich kann zwar nähen und flicken und habe sogar Wunden genäht, aber sticken mag ich nicht. Ich kann tanzen, beherrsche aber nicht die Kunst, tagaus, tagein Belanglosigkeiten daherzuplappern. Da ich den größten Teil meines Lebens gearbeitet habe, liegt ein Leben im Salon mir nicht, und genau das erwarten Sie von mir.”
Lieber Gott, betete Kate, lass nicht zu, dass ich ihr die Wahrheit sagen muss. Ihre Einwände waren stichhaltig genug. Es stimmte, dass es ihr schwerfallen würde, Wohltaten anzunehmen. Aber Gesellschaften und Bälle zu besuchen, sich einmal richtig ins Vergnügen zu stürzen – ein närrischer Teil Kates verzehrte sich nach diesen Dingen.
Lady Cahill starrte sie entsetzt an. “Kind, du weißt ja nicht, was du sagst. Die meisten dieser Dinge sind nicht nötig, und andere lassen sich erlernen. In die Gesellschaft eingeführt zu werden heißt nicht unbedingt, dass man eine Salondame werden muss. Und was das unausgesetzte Plappern von Nichtigkeiten betrifft, so kannst du sicher sein, dass es eine Menge Leute gibt, die wenig anderes tun.”
Sie schwieg sekundenlang und sah das Mädchen an, das wieder still am Fußende des Bettes saß. “Du langweilst mich mit deiner albernen Halsstarrigkeit”, sagte sie schließlich mit einer herrischen Handbewegung. “Geh jetzt. Ich muss mir die Sache durch den Kopf gehen lassen. Wir sprechen später weiter.”
Kate stand auf, ein wenig schuldbewusst, weil sie der alten Dame Kummer bereitete. Aber sie hatte ja nicht darum gebeten, hierhergebracht zu werden. Sie hatte das Recht, über ihr Leben selbst zu entscheiden, und sie schuldete Lady Cahill außer Höflichkeit gar nichts. Warum
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