Nur einen Kuss, Kate!
der Kutsche verstauen. Sie und Mr. Phillips werden Miss Kate nach London begleiten.”
“Carlos, Sie werden nichts dergleichen tun!”, entgegnete Kate scharf und begegnete zum ersten Mal Jacks Blick.
Er sah sie ausdruckslos an. “Natürlich haben Sie recht. Carlos, Martha soll nur einpacken, was für die Reise nötig ist. Alles andere wird in London gekauft.”
“Carlos, nein!”, rief Kate in entrüstetem Ton.
Carlos begegnete verlegen ihrem Blick. “Tut mir leid, aber ich muss Major Jack gehorchen.”
Jack lachte hart und ohne Humor über ihren empörten Ausruf. “Sie sehen, ich bin noch Herr im eigenen Haus.”
“Ja, aber nicht mein Herr, und ich weigere mich, nach Ihrer Pfeife zu tanzen!”
“Aber das ist mein Haus, und ich entscheide, wer hier wohnt. Sie wissen sehr gut, dass ich Sie nur ungern aufnahm. Und jetzt besteht kein Grund mehr für einen längeren Aufenthalt. Sie fahren zu meiner Großmutter – und wenn ich Sie selbst in den Wagen schaffen müsste. Verstanden, Miss Farleigh?”
Kate zuckte zusammen und wandte sich ab, um ihre Betroffenheit zu verbergen.
Nur Jack sah ihren Ausdruck. Verzweifelt fuhr er sich durchs Haar. Verdammt, diese gekränkte Miene konnte er nicht ertragen. Gewiss, er wusste nun, was sie abhielt, nach London zu gehen, aber seine Großmutter würde ihr schon den Kopf zurechtrücken.
Mit einem Riesenvermögen im Hintergrund bedeutete ein Skandal in der Vergangenheit gar nichts. Sie würde unter der Creme heiratsfähiger Junggesellen wählen können, und nur die verbohrtesten würden an ihrer verlorenen Unschuld Anstoß nehmen. Schließlich hatte sie nichts Böses getan. Das größere Problem waren die Mitgiftjäger, doch war Verlass darauf, dass seine Großmutter mit ihnen fertig werden würde.
Er wollte alles rasch hinter sich bringen, da es für Kate das Beste war. Ihr Vermögen eröffnete ihr eine glänzende Zukunft, in der für ihn kein Platz war.
“Wir treffen uns also in einer halben Stunde in der Halle, um Lebewohl zu sagen.” Er nickte den anderen zu und ging hinaus.
“Was für ein großartiger Mann!”, rief Mr. Phillips aus. “Was für eine Entscheidung! Er ähnelt seiner Großmutter mehr, als ich dachte.”
Die Kutsche rumpelte und holperte dahin. Mr. Phillips, der in einem Gasthaus bereits Zimmer für die Rückfahrt bestellt hatte, wollte das Ziel unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Kate starrte aus dem Fenster, ohne ihren Reisegefährten oder der Landschaft Beachtung zu schenken. Sie fühlte sich elend und verzweifelt.
Der Mann, der ihre große Liebe war, verachtete sie.
Sie hatte ihren ganzen Mut zusammengenommen, ihm alles gestanden und wider alle Vernunft gehofft, es würde ihm nichts ausmachen. Dass er seinen Antrag wiederholte, hatte sie nicht zu hoffen gewagt. Sie hatte sich insgeheim gewünscht, er möge verstehen, warum sie nicht nach London gehen wollte. Und sie hatte gehofft, er würde sie möglichst lange in seiner Nähe dulden …
Doch er hatte ihre Geschichte gehört und ihr am nächsten Morgen befohlen, sie solle ihre Sachen packen.
Es war ihr fast unmöglich, sich mit der Veränderung abzufinden, die mit Jack vorgegangen war. Nur vierundzwanzig Stunden zuvor war sie in seinen Armen erwacht, eine Erinnerung, die sie im Nachhinein noch auskostete, da sie zu den schönsten ihres Lebens gehörte.
Tief im Inneren hatte sie gewusst, dass sie ihn liebte und dass er ihre Gefühle erwiderte. Ihr Herz hatte endlich einen sicheren Hort gefunden, und sie hatte davon geträumt, nun jeden Morgen ihres Lebens so zu erwachen. Es sollte nicht sein.
Die Vergangenheit hatte ihr viel Schmerz beschert, doch lag die Zukunft noch vor ihr. Kate verfolgte diesen Gedanken weiter. Sie wollte von einem Tag zum anderen leben. Ja, so würde sie es schaffen. Aber erst musste sie die Saison über sich ergehen lassen.
Über sich ergehen lassen? Nein, sie würde jedes Vergnügen genießen, wollte alle Chancen nutzen und alles auskosten, was die Gesellschaft ihr bieten konnte. Früher oder später würde ihr Geheimnis ruchbar werden, und sie würde die Stadt in Schmach und Schande verlassen müssen, doch würde es nicht schmerzen, wenn sie sich dagegen wappnete.
Sie wollte keine Freundschaften schließen und alles von vornherein nur als vorübergehend ansehen, damit sie ohne Bedauern und Schmerz alles hinter sich lassen konnte.
In London werde ich wieder meinen Panzer anlegen, schwor Kate sich. Wenn die Zeit um war, würde sie unauffällig
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