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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Westfield
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Segeltuchtragflächen mit Textilfarbe dunkelblau.
    Jonas hat im Intershop zwei Flaschen Mumm-Sekt gekauft. In der Abgeschiedenheit ihrer Werkstatt feiern sie die Fertigstellung ihrer Delta-Gleiter.
    »Du, Alter, ick bin mir nich sicher, ob ick mich da mit meinen knapp hundert Kilo reinhängen und über die Kante gehen soll.«
    »Fred, der Mann, der den gleichen Drachen flog, war genauso groß und schwer wie du.«
    »Ick habe aber trotzdem ein komischet Jefühl im Bauch.«
    »Es sind die besten Flieger, die wir bauen konnten.«
    »Wenn ick mir die Verbindungen von der Mittelstrebe zu den Flügeln ankieke, dit erscheint mir alles verdammt spielig.«
    »Wir haben alles genau nach Zeichnung gebaut.«
    »Trotzdem. Als Bastler hab ick dit Jefühl, dass dit stabiler sein könnte.«
    »Du willst nicht mehr? Hast du Angst, Fred? Jetzt, wo wir kurz vorm Ziel sind?«
    »Nee, Angst is nich dit richtige Wort. Ick will nur sicher sein, dass dit Ding mich ooch trägt und nicht zusammenklappt wie'n Regenschirm im Wind.«
    »Wir haben nur den einen Versuch.«
    »Eben darum will ick vorher wissen, ob dit Ding wirklich fliegt.«
    »Bitte sag mir, wie du das vorab herausfinden willst.«
    »Alter, lass uns möglichst bald mit deinem ollen Lada übers Land fahren und nach eem Übungsflugplatz kieken.«
    Während Jonas die zweite Sektflasche entkorkt, schaltet Fred das Radio ein und sucht einen Westsender. Der bringt gerade Nachrichten.
    Flüchtlingsdrama beendet. Wie inzwischen offiziell bestätigt,
wurden am gestrigen 24. August alle ausreisewilligen DDR-Bürger, die sich in der bundesdeutschen Botschaft in Budapest auf
hielten, mit Papieren des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes nach Österreich ausgeflogen. Wie das Auswärtige Amt
bekannt gab, hat die Bundesregierung ihre Botschaft in Ungarn
auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die DDR-Führung legte
beim ungarischen Außenministerium scharfen Protest wegen der Verletzung bilateraler Vereinbarungen ein. Nach nicht bestätig
ten Informationen erwägen die Ost-Berliner Machthaber, Tou
ristenreisen nach Ungarn nur noch in Ausnahmefällen zu geneh
migen,
    »Na, klasse. Botschaft zu, Grenzen dicht«, sagt Jonas.
    »Bleib ruhig, Alter. Dich hätten sie da sowieso nicht mehr hingelassen.«
    »Wenn die alle Grenzen zumachen, wird der Druck hier immer größer.«
    »Alter, lass uns verduften, bevor der janze Laden in die Luft fliegt.«
    In den folgenden Tagen verbessern sie noch wenige Details an ihren Hängegleitern. Jonas hebt sein letztes DDR-Guthaben ab und tauscht es schwarz eins zu fünf gegen D-Mark. Fred verkauft
    Trabi-Ersatzteile gegen Westgeld. Anfang September sind sie startklar. Die Hängegleiter sind zerlegt und in je einer Packtasche verstaut. Außen haben Fred und Jonas ein großes Stoffetikett aufgenäht: »VEB Zeltfabrik Pouch. Made in GDR«. Sie wollen die einen Meter achtzig langen Packtaschen nicht auf der Wollank-straße, nahe am Grenzgebiet, verladen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie schieben die verpackten Drachen aus Freds Küchenfenster auf den Hinterhof und von dort über eine niedrige Mauer in den gegenüberliegenden Hof. Dort parkt in einer einfachen Brettergarage Jonas' Lada-Kombi, in dem sie die Fluggeräte verstauen. Fred stellt noch seine große Werkzeugkiste in den Kofferraum. Sie verschließen den Wagen und das Garagentor.
    Am 8. September fahren sie frühmorgens mit dem Lada ins nördliche Brandenburg, um nach einem geeigneten Hang für ein Flugtraining zu suchen. Sie reisen über Oranienburg und Liebenwalde nach Joachimsthal und halten an etlichen Stellen. Entweder ist die Gegend zu flach oder zu bewaldet oder zu dicht besiedelt. Auf dem Weg von Joachimsthal nach Eberswalde-Finow kommen sie durch das Dorf Golzow, wo sie westlich der Straße ein abgeerntetes Getreidefeld entdecken, das am Hang eines relativ hohen Hügels liegt. Über einen Feldweg fahren sie zu dem Hügel und spähen hinab zum Dorf.
    »Dit sieht gar nich so schlecht aus«, meint Fred. Sie setzen sich an den Feldrand und genießen die Nachmittagssonne.
    »Leider können wir bis zum Dorf und zur Straße runtersehen, und die sehen uns auch«, erwidert Jonas.
    Vom Dorf her kommt ein weißhaariger Rentner mit einem Pudel spaziert.
    »Am Tage geht hier gar nichts«, sagt Jonas. »Da kannst du den Probeflug gleich bei der Stasi anmelden.«
    »Aber frühmorgens, Alter, kurz vor Sonnenaufgang, da sieht dit schon anders aus. Da pennt hier selbst der letzte Penner. Keen Bauer uff'm Feld,

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