Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)
ist nicht nötig.“ Lee erhob sich.
„Ich habe Zeit.“ Er verließ mit ihr die Cafeteria und trat in die große, mit Teppichen ausgelegte Eingangshalle. „Wollen Sie sich die Gegend etwas ansehen, während Sie hier sind?“
„Dafür bleibt keine Zeit.“ Sie warf einen Blick aus den riesigen Fenstern zu dem hoch aufragenden Gipfel des Mount Humphrey hinüber. „Sobald die Tagung vorbei ist, muss ich zurück.“
„Wohin?“
„Los Angeles.“
„Zu viele Menschen“, kommentierte Hunter. „Haben Sie nie das Gefühl, sie nehmen Ihnen die Luft?“
So hatte sie es noch nie gesehen. Aber tatsächlich gab es Situationen, wo sie eine Anwandlung spürte, die man als Klaustrophobie bezeichnen könnte. Aber schließlich war dort ihr Zuhause und, noch wichtiger, ihre Arbeit. „Nein. Es gibt genug Luft für alle.“
„Sie haben nie am südlichen Rand des Canyons gestanden und hochgeschaut und eingeatmet.“
Wieder warf Lee ihm einen Blick zu. Er hatte eine Art, Dinge zu sagen, die einem sofort ein Bild vermittelten. Zum zweiten Mal bedauerte sie es, dass sie sich nicht einen oder zwei Tage freimachen konnte, um zumindest etwas von der Weite Arizonaszu erkunden. „Vielleicht ein anderes Mal.“ Mit einem Schulterzucken folgte sie ihm.
„Zeit ist unberechenbar. Wenn man sie braucht, ist zu wenig von ihr da. Dann wiederum wacht man morgens um drei auf, und es gibt zu viel von ihr. Normalerweise ist es klüger, sie sich zu nehmen, als auf sie zu warten. Versuchen Sie es.“ Er warf ihr einen Seitenblick zu. „Es könnte ihren Nerven gut tun.“
Sie zog die Brauen zusammen. „Mit meinen Nerven ist alles in Ordnung.“
„Manche Menschen können von nervöser Energie wochenlang angetrieben werden. Und dann müssen sie das kleine Ventil finden, um den Dampf abzulassen.“ Zum ersten Mal berührte er sie, nur mit den Fingerspitzen am Ende ihres Haares. Doch sie fühlte es, erlebte es so stark und deutlich, als hätte sich seine Hand fest über ihrer geschlossen. „Was tun Sie, um den Dampf abzulassen, Lenore?“
Sie versteifte sich nicht, sie schob auch nicht beiläufig seine Hand weg, wie sie es sonst getan hätte. Sie hielt einfach still, spielte mit der Empfindung, die seine Berührung in ihr auslöste.
„Ich arbeite“, sagte sie leicht, doch ihre Finger hatten sich um den Griff der Aktentasche verstärkt. „Ich brauche kein anderes Ventil.“ Sie trat nicht zurück, ließ aber den Hochmut, der sie immer schützte, in ihre Stimme dringen. „Niemand nennt mich Lenore.“
„Nein?“ Er lächelte fast. Es war dieser Blick, erkannte sie, diese verborgene Belustigung, mehr zu ahnen, als zu sehen, die sie am meisten fesselte. „Aber es passt zu Ihnen. Feminin, elegant, etwas distanziert. Lenore, die Gestalt aus Poes Erzählung. Ja.“ Er ließ seine Fingerspitzen an ihrem Haar. „Ich glaube, Poe hätte Sie für seine Lenore sehr passend gefunden.“
Bevor sie es verhindern konnte, bevor sie es vorausahnen konnte, wurden ihre Knie weich. Sie fühlte den Klang ihres eigenen Namens wie eine Feder über ihre Haut streifen. „Wer sind Sie?“ War es möglich, so tief von jemandem berührt zu sein, ohneüberhaupt seinen Namen zu wissen. Sie machte die Flucht nach vorn. „Wer sind Sie eigentlich?“
Wieder lächelte er, mit dem merkwürdig sanften Charme, der zu seinen Augen eigentlich gar nicht zu passen schien, aber dennoch … „Merkwürdig, Sie haben es vorher nicht gefragt. Sie sollten besser hineingehen“, meinte er dann, als die Leute auf die offenen Türen des Canyon-Raumes zustrebten. „Sie wollen sicher einen guten Platz haben.“
„Ja.“ Sie zog sich zurück, ein wenig erschüttert über die Heftigkeit ihres Wunsches, mehr über ihn zu erfahren. Mit einem letzten Blick über die Schulter trat Lee ein und setzte sich in die erste Reihe. Es war Zeit, ihre Gedanken wieder auf die Angelegenheit zu konzentrieren, wegen der sie gekommen war: Hunter Brown. Ablenkungen durch unbegreifliche Männer, die zum Lebensunterhalt Jeeps fuhren, mussten zur Seite geschoben werden.
Aus ihrem Aktenkoffer nahm Lee einen neuen Notizblock und zwei Bleistifte. Einen steckte sie hinters Ohr. In wenigen Augenblicken würde sie den geheimnisvollen Hunter Brown sehen und studieren können. Sie würde zuhören und sich Notizen machen. Nach seinem Vortrag würde sie ihm Fragen stellen, und wenn es nach ihrer Vorstellung lief, gelang ihr anschließend ein Gespräch unter vier Augen.
Diese Story könnte ihr nächster
Weitere Kostenlose Bücher