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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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einer alten gläsernen Verkaufsvitrine aufbaute. Er war ein kräftig gebauter, ehemaliger Fellache mit vollen Lippen, dem es ohne Mühe gelungen war, in die Rolle des geschickten Geschäftsmannes zu schlüpfen. Wortlos trat Shawn ein paar Schritte näher und schaute in die dunklen, unergründlichen Augen des Ladenbesitzers. Fast sofort zogen sich Rahuls Augenbrauen zuerst zusammen und dann nach oben, als er ihn erkannte.
    »Dr. Daughtry?«, fragte Abdul. Er lehnte sich etwas nach vorn, um besser sehen zu können.

    »Rahul«, antwortete Shawn, »ich bin überrascht, dass Sie sich nach all den Jahren noch an mich erinnern. Sogar an meinen Namen.«
    »Wie könnte ich nicht? «, entgegnete Rahul, schoss hinter dem Tresen hervor und schüttelte Shawns Hand. »Ich erinnere mich an alle meine Kunden. Und ganz besonders die von berühmten Museen.«
    »Sie haben Kunden von anderen Museen?« Der Laden war so bescheiden, dass ihm das etwas weit hergeholt schien.
    »Aber selbstverständlich, natürlich«, hob Rahul an. »Jedes Mal, wenn etwas Besonderes hereinkommt, was nicht allzu oft geschieht, nehme ich Kontakt zu der Person auf, von der ich glaube, dass sie am meisten Interesse daran haben würde. Mit dem Internet ist das heutzutage so einfach geworden.« Während Rahul durch den Perlenvorhang hindurch auf die Gasse lief und auf Arabisch ein paar Befehle bellte, staunte Shawn über die Geschwindigkeit der Globalisierung. Er hätte gedacht, dass zwischen dem Internet und dem alten Khan el-Khalili Welten liegen müssten. Doch offensichtlich war das nicht der Fall.
    Nur einen Moment später kam Rahul wieder zurück und dirigierte Shawn in die Sitzecke im hinteren Teil des Ladens. Orientalische Teppiche bedeckten Boden und Wände. Große schwere Brokatkissen dominierten die Sitzecke. An der Seite stand eine Wasserpfeife zusammen mit einigen aufgestapelten, verblassten Pappschachteln. Von der Decke hing eine nackte Glühbirne. Auf einem kleinen Holztisch lagen ein paar verblichene Fotografien; eine davon zeigte einen groß gewachsenen Mann in typisch ägyptischer Kleidung, der Rahul ähnlich sah. Rahul folgte Shawns Blicken.
    »Das ist ein Foto von meinem Onkel. Meine Mutter
gab es mir neulich. Vor zwanzig Jahren gehörte ihm einmal dieses Geschäft.«
    »Man sieht, dass er zur Familie gehört«, kommentierte Shawn. »Haben Sie ihm den Laden abgekauft?«
    »Nein, nicht ihm, sondern seiner Frau. Er war der Bruder meiner Mutter, aber er war in einen Antiquitätenskandal um einen sehr bedeutsamen Fund verstrickt, es ging um ein intaktes Grab. Seine Beteiligung kostete ihn das Leben. Er wurde hier in diesem Laden umgebracht.«
    »Um Gottes willen«, meinte Shawn, »bitte verzeihen Sie, dass ich das Thema angeschnitten habe.«
    »In diesem Gewerbe kann man gar nicht vorsichtig genug sein. Gelobt sei Allah, dass ich noch keinen solchen Ärger hatte.«
    Im nächsten Moment wurde der schwere Vorhang beiseitegezogen und ein barfüßiger Knabe kam herein mit einem Tablett mit heiß dampfendem Tee in zwei Gläsern mit Metallgriffen. Wortlos stellte er das Tablett neben Shawn und Rahul auf den Boden und zog sich durch die Vorhänge wieder zurück. Währenddessen plauderte Rahul lebhaft darüber, wie erfreut er sei, dass Shawn ihm einen Besuch abstattete.
    »Um ehrlich zu sein, bin ich aus einem ganz bestimmten Grund hier«, räumte Shawn ein.
    »Oh?«, entgegnete Rahul mit fragendem Unterton.
    »Ich muss etwas gestehen. Als ich beim letzten Mal hier in Ihrem Laden war, habe ich einen prädynastischen Terrakottatopf erworben.«
    »Daran kann ich mich erinnern. Eines meiner allerbesten Stücke.«
    »Wir hatten lange über seine Echtheit gestritten.«
    »Sie waren nur schwer zu überzeugen.«
    »In Wirklichkeit war ich zu keinem Zeitpunkt überzeugt. Ich habe das Stück nur als Erinnerung an unsere
überaus interessante Unterhaltung gekauft. Aber als ich zurück in New York war, ließ ich es von einer fachkundigen Kollegin prüfen. Und sie teilte Ihre Auffassung. Die Keramik ist nicht nur echt, sie hat inzwischen auch einen Ehrenplatz im Museum. Ein wirklich schönes Teil.«
    »Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie Ihren Irrtum jetzt eingestehen.«
    »Es hat mir die ganzen Jahre auf der Seele gelegen.«
    »Das lässt sich leicht wieder zurechtrücken. Wenn Sie Ihr Gewissen erleichtern wollen, müssen Sie mir einfach nur mehr Geld zahlen.«
    Von dem unerwarteten Vorschlag wie vor den Kopf gestoßen, starrte Shawn ihn an. Einen kurzen Moment lang

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