Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oberst Redl

Oberst Redl

Titel: Oberst Redl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leidinger Hannes
Vom Netzwerk:
sich schon sehr bald die Idee für das vorliegende Buch.
    Rekonstruktion
    Historiker reagieren auf die Frage »Wie ist es wirklich gewesen?« für gewöhnlich abweisend. Seit vielen Jahrzehnten bemüht sich die Geschichtswissenschaft mit wechselndem Erfolg zu vermitteln, dass die Historie zu komplex beschaffen ist, um einfachen Fragen ebensolche Antworten folgen zu lassen. Wer versucht, den Fall Redl anhand der dazu vorhandenen unterschiedlichen Darstellungen zu rekonstruieren, erkennt schon bald, dass die Vielstimmigkeit und Widersprüchlichkeit der Materialien keine »geradlinige« Erzählung zulässt. Mehr Klarheit, meinten wir, kann offenbar nur durch die Heranziehung weiterer Dokumente oder neuer »Zeugenaussagen« erreicht werden. Eine umfassende Quellenrecherche, die uns nicht nur ins Kriegsarchiv in Wien, sondern auch in verschiedene ausländische Archive führte, sollte es ermöglichen, den Fall neu aufzurollen. Wir ermittelten daher in viele unterschiedliche Richtungen, verfolgten unzählige Spuren, bissen uns an Details fest und erlebten all die Hochs und Tiefs, die einem Forscher bei seinen Recherchen für gewöhnlich widerfahren. Das Material, das wir fanden, drängte uns dann von selbst eine Erzählung auf, die sich grundlegend von den bisherigen Darstellungen unterscheidet. Die Frage »Was ist neu an diesem Buch über die Spionageaffäre rund um den Obersten Redl?« lässt sich so gesehen einfach beantworten: alles.
    Schon im Mai und Juni 1913, als die Presse im In- und Ausland über den Verrat des Generalstabsoffiziers berichtete und dabei den Lebenswandel des Spions unter die Lupe nahm, entstanden Mythen und Legenden, welche bis in unsere Tage nachwirken. Im ersten Teil des Buches, welcher unter dem Motto »Ermittlungen und Erzählungen« steht, sollen auf Basis nachvollziehbarer Quellenangaben erstmalsfiktive und authentische Elemente der »Redl-Geschichte« sichtbar gemacht werden. Gleichzeitig wird der Versuch unternommen, den Fall möglichst präzise darzulegen. Dabei geht es auch darum – ganz im Stil eines Ermittlers –, Aussagen von Zeitzeugen zu überprüfen oder die Stichhaltigkeit von Behauptungen zu hinterfragen. Dass der Historiker dabei wiederholt auf schwankendem Boden steht und angesichts vielfach widersprüchlicher Zeugnisse auf abschließende Urteile verzichten muss, bleibt kein Geheimnis. Diese Transparenz der Arbeitsweise an die Leserinnen und Leser weiterzugeben, ist die einzig mögliche und sinnvolle Herangehensweise an die Darstellung einer rätselhaften Affäre. Bei alldem bleibt erstaunlich, wie abgründig, spannend und schier unglaublich der Fall Redl ist – auch ohne fantasievolle Finalsätze, die im Grunde höchst zweifelhafte »Gewissheiten« anbieten.
    Rahmenbedingungen
    Redl war einige Jahre hindurch Vize-Chef des österreichisch-ungarischen Nachrichtendienstes gewesen und bekleidete, als er des Verrats überführt wurde, den Posten des Generalstabschefs des 8. Korps in Prag. Schon deshalb machte der Fall weltweit Schlagzeilen. Hier spionierte nicht ein kleiner Leutnant, sondern ein hoher Generalstäbler mit den besten Verbindungen zu den Spitzen der k.u.k. Armee.
    Der zweite Teil des Buches, der mit »Kontext und Konsequenzen« betitelt ist, verortet vor diesem Hintergrund die Affäre in einem größeren Zusammenhang und nimmt sich des Weiteren der unzähligen Folgewirkungen des Skandals an. Nur so ist die Tragweite des Verbrechens, das Zeitgenossen als Katastrophe für die Donaumonarchie wahrnahmen, zu begreifen. Gesellschaftliche und politische Hintergründe, aber auch militärisch-strategisch relevante Zusammenhänge werden dabei aus oft divergierenden Perspektiven betrachtet. Der Blick ins Ausland, wo man sich intensiv mit dem Fall Redl beschäftigte, erwies sich hierbei als überaus bedeutsam. Die mentale Verfasstheit der Armee in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg oder die damaligen Bündnissysteme mit ihren Auswirkungen auf die internationalenBeziehungen spielen in diesem Abschnitt des Buches ebenso eine Rolle wie viele weitere außenpolitische, aber auch interne Krisen, welche die Streitkräfte der Habsburgerarmee vor neue Herausforderungen stellten. Nicht zu kurz kommen des Weiteren die spezifischen Folgen einer geradezu in Hysterie ausartenden Furcht vor Spionen, die sich im Vorkriegseuropa breitmachte. Zu berücksichtigen galt es freilich auch die damaligen Diskurse zum Thema »Homosexualität«. Der Fall Redl präsentiert sich in diesem Kontext als ein

Weitere Kostenlose Bücher