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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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Wildnis liegt, daß auch dein Nest an die Reihe gekommen ist und auch dort die Sonne strahlt. Ich werde dir nicht sagen, daß dein Gut nach vier Jahren eine Bahnstation sein wird, daß deine Bauern alle dazugehörigen Arbeiten verrichten werden und daß dein Getreide per Eisenbahn zum Hafen transportiert werden wird. Und dann ... die Schulen, die Aufklärung, und ferner ... Nein, du wirst dich vor dem Morgenrot des neuen Glückes fürchten, deine ungeübten Augen werden schmerzen. Ich aber werde deinen Andrej dorthin führen, wohin du nicht gelangen konntest ... und ich werde mit ihm zusammen unsere Jugendträume zur Erfüllung bringen. »Leb wohl, altes Oblomowka!« sagte er, zum letzten Male auf die Fenster des kleinen Hauses zurückblickend. »Du hast ausgelebt!«
    »Was ist dort?« fragte Oljga mit starkem Herzklopfen.
    »Nichts!« antwortete Andrej trocken und lakonisch.
    »Lebt er und geht es ihm gut?«
    »Ja«, antwortete Andrej ungern.
    »Warum bist du so schnell zurückgekehrt? Warum hast du mich nicht hereingerufen und hast auch ihn nicht mitgebracht? Laß mich zu ihm!«
    »Das geht nicht!«
    »Was geht denn dort vor?« fragte Oljga erschrocken. »Hat sich denn ein Abgrund aufgetan? Willst du mir es nicht sagen?«
    Er schwieg.
    »Was geht denn dort vor?«
    »Dort herrscht Oblomowerei!« antwortete Andrej düster und beantwortete die ferneren Fragen Oljgas bis zum Hause hin mit düsterem Schweigen.
Zehntes Kapitel
    Es waren fünf Jahre vergangen. Auch auf der Wiborgskajastraße hatte sich vieles verändert: die leere Straße, die zum Hause der Pschenizina führte, war mit Landhäusern verbaut, zwischen denen sich ein langes, steinernes Staatsgebäude ausstreckte, das die Sonnenstrahlen daran hinderte, lustig in die Fenster des stillen Obdaches der Trägheit und Ruhe zu scheinen. Auch das Häuschen selbst war ein wenig gealtert und sah nachlässig und schmutzig aus, wie ein unrasierter und ungewaschener Mensch. Die Farbe war verblaßt, die Dachrinnen waren teilweise zerbrochen; infolgedessen befanden sich auf dem Hofe große Pfützen, über die wie früher ein schmales Brett gelegt war. Wenn jemand auf den Hof trat, zerrte die alte Arapka nicht mehr an der Kette, sondern bellte heiser und träge, ohne ihre Hütte zu verlassen. Und welche Veränderungen waren im Innern des Hauses vorgegangen! Dort herrschte eine fremde Frau und spielten fremde Kinder. Dort erschien ab und zu das rote Säufergesicht des streitsüchtigen Tarantjew, aber der sanfte, bescheidene Alexejew läßt sich dort nicht mehr blicken. Weder Sachar noch Anissja sind zu sehen. Die neue, dicke Köchin herrscht in der Küche und erfüllt ungern und ungenau die stillen Befehle Agafja Matwejewnas, und Akulina wäscht mit dem in den Gürtel gesteckten Kleidersaum die Tröge und Töpfe; derselbe schläfrige Hausbesorger beendet seine Tage müßig in demselben Schlafpelz in seiner Ecke. An dem Gitterzaun huscht zu den bestimmten Stunden des frühen Morgens und der Mittagszeit wieder die Gestalt des Bruders mit einem Paket unter dem Arm und Sommer und Winter in Gummigaloschen vorüber.
    Was ist aus Oblomow geworden? Wo ist er? Seine irdische Hülle ruht auf dem nahen Friedhof, unter einer bescheidenen Urne, an einem stillen Ort zwischen Gebüsch. Die von einer Freundeshand gepflanzten Fliederzweige schlummern über dem Grabe, und darüber duftet friedlich der Wermut. Es schien, daß der Engel der Stille selbst seinen Schlaf bewachte. So wachsam das liebende Auge der Frau jeden Augenblick seines Lebens auch behütet hatte, wurde die Maschine seines Lebens durch die ewige Ruhe und Stille und durch das träge Hinkriechen der Tage doch aufgehalten. Ilja Iljitsch schien ohne Schmerzen und ohne Qualen verschieden zu sein, wie eine Uhr, welche stehenbleibt, weil man sie aufzuziehen vergessen hat. Niemand sah seine letzten Augenblicke und hörte seinen letzten Seufzer. Der Schlaganfall wiederholte sich nach einem Jahre und ging wieder glücklich vorüber; aber Ilja Iljitsch wurde bleich und schwach, begann wenig zu essen, ging selten im Garten spazieren, wurde immer schweigsamer und sinnender und weinte sogar manchmal. Er ahnte den nahen Tod und fürchtete ihn. Er fühlte sich ein paarmal unwohl, doch das verging. Eines Morgens brachte ihm Agafja Matwejewna wie gewöhnlich den Kaffee und traf ihn auf seinem Sterbelager ebensosanft ruhend an, wie er im Schlafe aussah, nur sein Kopf war ein wenig vom Kissen herabgeglitten, und er hatte die Hand krampfhaft ans

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