Oblomow
Nachbarn, es werden bals champêtres arrangiert. Ich werde mit Lydia im Wald spazierengehen, Boot fahren, Blumen pflücken ... Ach! ...« Und er machte einen Freudensprung ... »Es ist aber Zeit ... Adieu«, sagte er und machte vergebliche Versuche, sich im verstaubten Spiegel von vorne und von rückwärts zu betrachten.
»Warten Sie«, hielt ihn Oblomow zurück, »ich wollte mit Ihnen geschäftlich sprechen.«
»Pardon, ich habe keine Zeit«, antwortete Wolkow eilig, »ein andermal! Wollen Sie nicht mit mir Austern essen? Sie können mir dabei Ihre Angelegenheiten erzählen. Kommen Sie, Mischa ladet Sie ein.«
»Nein, was fällt Ihnen ein!« sagte Oblomow darauf.
»Also, Adieu!«
Er ging und kam zurück.
»Haben Sie das schon gesehen?« fragte er, die Hand zeigend, der der Handschuh wie angegossen saß.
»Was ist das?« fragte Oblomow verblüfft.
»Die neuen Lacets! Sehen Sie, wie gut das zusammenhält: Man braucht sich nicht zwei Stunden lang mit den Knöpfen abzuquälen, man zieht an der Schnur, und die Sache ist erledigt. Das kommt soeben aus Paris. Wollen Sie, daß ich Ihnen ein Paar zur Probe mitbringe?«
»Gut, bringen Sie mir eins mit.«
»Und sehen Sie sich einmal das an: nicht wahr, das ist sehr hübsch?« sagte er, nachdem er in dem Haufen der Berlocken eines ausgesucht hatte; es war eine Visitenkarte mit einer umgebogenen Ecke.
»Ich kann nicht entziffern, was darauf steht.«
»Pr. – Prince, M. – Michel, und der Familienname Tjumenjew ist nicht mehr daraufgegangen. Das hat er mir zu Ostern statt eines Eies geschenkt. Aber leben Sie wohl, au revoir! Ich muß noch zehn Personen aufsuchen. O Gott, wie lustig ist es auf der Welt!«
Und er verschwand.
Zehn Personen an einem Tage aufsuchen – der Unglückliche! dachte Oblomow. Und das ist ein Leben!, und er zuckte heftig die Achseln. Wo bleibt denn dann der Mensch? In wieviel kleine Teile löst er sich auf und zerfällt er? Es ist gewiß nicht übel, ins Theater hineinzugucken und sich in irgendeine Lydia zu verlieben ... Sie ist hübsch! Es ist schön, mit ihr auf dem Lande Blumen zu pflücken und spazierenzufahren! – Aber an einem Tage zehn Personen aufzusuchen – der Unglückliche!, schloß er, sich auf den Rücken umwendend und sich freuend, daß er keine so leeren Wünsche und Gedanken hatte, sondern daliegen und seine menschliche Würde und Ruhe aufrechterhalten konnte.
Ein neues Läuten unterbrach seine Betrachtungen.
Es kam wieder ein Gast.
Das war ein Herr in einem dunkelgrünen Frack mit Uniformknöpfen; er hatte ein glattrasiertes Kinn, einen dunklen Backenbart, der sein Gesicht gleichmäßig umrahmte, einen angestrengten, aber ruhigen und intelligenten Ausdruck in den Augen, ein welkes Gesicht und ein nachdenkliches Lächeln.
»Guten Tag, Sudjbinskij!« begrüßte Oblomow ihn freudig. »Schaust du dich auch einmal nach deinem alten Kollegen um! Komm nicht so nahe heran! Du bringst Kälte herein.«
»Guten Tag, Ilja Iljitsch. Ich wollte schon lange zu dir«, sprach der Gast, »aber du weißt ja, was für einen teuflischen Dienst wir haben! Da, schau einmal, ich habe hier einen ganzen Koffer voll Berichte, und ich habe dem Boten befohlen, herzurennen, wenn man dort nach irgend etwas fragt. Ich kann keinen Augenblick über mich verfügen.«
»Gehst du erst jetzt ins Amt? Warum so spät?« fragte Oblomow, »du pflegtest ja um zehn Uhr anzufangen ...«
»Ja, ich pflegte; jetzt ist's aber anders: ich fahre um zwölf Uhr hin.« Er betonte: fahre.
»Ah! ich errate!« sagte Oblomow, »du bist Bureauchef! Schon lange?«
Sudjbinskij nickte bedeutungsvoll.
»Seit Ostern«, sagte er. »Aber wieviel zu tun ist – schrecklich! Von acht bis zwölf Uhr arbeite ich zu Hause, von zwölf bis fünf Uhr in der Kanzlei, und dann habe ich noch abends zu tun. Ich bin jetzt gar nicht mehr gewohnt, mit Menschen zusammen zu sein.«
»Hm! Bureauchef, so!« sagte Oblomow. »Gratuliere! Du bist aber einer! Wir waren ja zusammen Kanzleibeamte. Ich denke, du wirst nächstes Jahr Regierungsrat.«
»Aber! Was fällt dir ein! Ich muß noch in diesem Jahr den Orden bekommen; ich habe gehofft, man würde mich ›für geleistete Dienste‹ vorschlagen, ich habe aber jetzt ein neues Amt übernommen. Das geht nicht, zwei Jahre nacheinander ...«
»Komm zu mir zum Essen, wir werden zu Ehren deines Avancements ein Glas leeren!« sagte Oblomow.
»Nein, ich bin heute beim Vizedirektor geladen. Ich muß für Donnerstag einen Bericht ausarbeiten – eine
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