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October Daye - McGuire, S: October Daye

October Daye - McGuire, S: October Daye

Titel: October Daye - McGuire, S: October Daye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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blinzelte. Mich überraschte nicht so sehr, dass ich sie bei meinem noch koffeinlosen Taumelgang in die Küche übersehen hatte. Was mich überraschte, war, dass es sie überhaupt gab. Ich wappnete mich für den Fall weiterer Überraschungen, löste das Klebeband und faltete die Nachricht auseinander.
    October,
    Du hast so friedlich geschlafen, dass es mir widerstrebte, dich zu wecken. Herzog Torquill hat angerufen. Nachdem er von mir Aufschluss verlangte, was ich in deiner Wohnung tue, ersuchte er mich dir mitzuteilen, dass er dich aufzusuchen gedenkt, sobald er ›etwas am Hof der Königin erledigt hat‹. Ich empfehle eng anliegende Kleidung, da ihn das vielleicht von dem ablenkt, worüber er dich diesmal belehren will, was immer es sein mag. Hoffentlich deine Manieren.
    Du bist wahrhaft reizend, wenn du schläfst. Ich schreibe das dem exotischen Erlebnis zu, dich in einem Zustand der Schweigsamkeit zu sehen.
    Tybalt
    Also hatte Sylvester bei mir angerufen und unverhofft Tybalt am Apparat gehabt. Ein sonderbar faszinierender Gedanke. Eine Weile stand ich da und begrübelte diesen unwahrscheinlichen Zufall. Dass Tybalt lange genug in meiner Wohnung geblieben war, um eine Nachricht entgegenzunehmen, beunruhigte mich eigentlich weit mehr. Aber da ich nicht annahm, dass er mein Tafelsilber stehlen wollt e – nicht dass ich welches besaß –, beschloss ich, es auf sich beruhen zu lassen.
    Das trug allerdings nichts zur Lösung meines eigentlichen Problems bei: Sylvester kam zu Besuch. Ich ließ den Blick durch den vorderen Bereich der Wohnung wandern und registrierte das dreckige Geschirr auf dem Tisch, den Berg ungefalteter Wäsche auf der Couch und die Stapel von Reklamesendungen, die vom Kaffeetisch zu kippen und den Boden zu erobern drohten. Ich bin nicht gerade die beste Hausfrau der Welt. Hinzu kam, dass ich regelmäßig Achtzehn-Stunden-Tage bestritt, seit meine Lizenz als Privatdetektivin erneuert worden war. Von daher war es beileibe kein Wunder, dass meine Wohnung einem Katastrophengebiet glich. Ich war nur nicht sicher, ob ich wollte, dass mein Lehnsherr sie so sah.
    Leider konnte ich nicht sagen: ›Tut mir leid, es passt gerade nicht, komm später wieder.‹ Auch wenn meine vierzehnjährige Abwesenheit zur Folge hatte, dass ich derzeit etwas außerhalb der gesellschaftlichen Rangordnung von Schattenhügel stand, war ich immer noch eine fahrende Ritterin in Sylvesters Diensten. Wenn er mich in meiner Wohnung aufsuchen wollte, hatte er jederzeit das Recht dazu. Natürlich verhieß sein bevorstehender Besuch so gut wie sicher, dass er eine Aufgabe für mich hatte. Großartig. Es geht doch nichts darüber, zum Dienst gerufen zu werden, wenn man einen Kater hat.
    Spike schmuste um meine Knöchel. Ich kniete mich hin, um ihn hochzuheben, und zuckte zusammen, als er mit seinen nadelscharfen Klauen im Milchtritt meine Unterarme knetete.
    »Komm, Spike. Ziehen wir uns an.« Er schnurrte weiter, als ich ihn ins Schlafzimmer trug und über die Schulter zurückrief: »Cagney, Lacey, behaltet die Tür im Auge.« Die Katzen ignorierten mich. So sind Katzen nun mal.
    Ein Vorteil des Daseins als Wechselbalg besteht darin, dass ein Kater bei mir wesentlich milder ausfällt, als er eigentlich sein müsste. Dank des Kaffees war ich fast wieder klar im Kopf, als ich meine drastisch verkürzte Dusche beendete. Ich zog mich mit Turbogeschwindigkeit an und wählte praktische Kleider, da es zweifellos ein langer Tag werden würde. Eben band ich mir die Schnürsenkel zu, als jemand an die Eingangstür klopfte. Das spontane Rasseln von Spikes Dornen begleitete das Geräusch.
    »Wenigstens bin ich nicht nackt«, murmelte ich und stand auf.
    Sylvester hatte gerade die Hand erhoben, um erneut zu klopfen, als ich die Tür öffnete. Einen Moment lang stand er da und wirkte fast komisch erschrocken. Dann lächelte er und streckte mir die Hände entgegen. »October. Hat dir Tybalt meine Nachricht übermittelt?«
    »Hallo, Euer Gnaden«, sagte ich und ergriff kurz seine Hände, bevor ich mich von ihm in eine Umarmung ziehen ließ. Eine menschliche Tarnung verhüllte seine wahren Züge mit dem Hartriegel- und Osterglockenduft seiner Magie. Ich habe mit der Zeit gelernt, die Kombination dieser beiden Gerüche als zutiefst beruhigend zu empfinden. Sie bedeutet Sicherheit. »Ja, hat er. Tut mir leid, dass ich Euren Anruf verpasst habe.«
    »Ach, das muss es nicht. Du schläfst ohnehin zu wenig«, gab er zurück, ließ mich los und trat an

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