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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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geworfen.
    »Hier.« Der Eremit griff nach Odins Hand und zog ihn wieder hoch.
    Sie schrammten an der nächsten Klippe vorbei, der Korb drehte sich zweimal, dann segelten sie um eine Klippe herum, und es war vorbei. Sie glitten unter den Nebel, und die Insel erstreckte sich vor ihren Augen. Die Sonne war durch Wolkendecke und Nebel gebrochen und ließ die schneebedeckte Landschaft blitzen und funkeln.
    »Smedieby!«, rief Odin und zeigte auf eine Ansammlung kleiner
Häuser, die auf der anderen Seite eines silbern glänzenden Sees in der Ferne zu sehen waren. »Für den Reisenden ist zu Hause ein Ort, an den er zum zweiten Mal kommt«, fuhr er fort und zog zufrieden an seinem Bart.
    Die magnetischen Kräfte wurden stärker, als sie sich allmählich der Mitte der Insel näherten, und der Ballon hatte jetzt so viel Fahrt, dass der Luftdruck ihre Augen tränen ließ. Der Fischer Ambrosius und der Eremit froren in ihren Pullovern und Socken, aber sie kümmerten sich nicht darum – sie waren sicher über Land und würden bald in die Wärme der Häuser des Dorfes kommen. Der Korb schwebte nun nicht mehr als drei, vier Meter über der Erde, und wenn sie ein Messer gehabt hätten, hätten sie die Leine zu der Eisenkugel durchschneiden können und wären mit der Abkühlung der Luft im Ballon gemächlich gesunken. Aber sie hatten kein Messer und waren gezwungen, die Kugel ihren Weg bestimmen zu lassen.
    Genau wie Harald Adelstensfostre vorausberechnet hatte, steuerte die Kugel auf das Zentrum der Insel und den silbern glänzenden See zu. Und alles wäre gut gewesen, wäre der See, wie erwartet, ganz zugefroren gewesen, aber das war er nicht – mitten in der spiegelblanken Oberfläche war eine große ungleichmäßige Öffnung.
    »Ob da wohl etwas passiert ist?«, bemerkte Odin und drehte unruhig seinen Bart zwischen den behandschuhten Fingern. »Denn so sah der See wahrlich nicht aus, als ich zuletzt hier war.«
    Der Fischer Ambrosius nickte.
    »Gute Frage«, sagte er und hustete. »Nun gut, wir können nichts anderes tun, als abwarten und sehen, was passiert.«
    Und was sie sahen, war die Eisenkugel, die mit voller Geschwindigkeit, Korb und Ballon hinter sich herjagend, über das Ufer hinaus zu der Mitte des Sees flog, wo sie direkt über dem Loch in der Luft abrupt stehen blieb. Ballon und Korb flogen ein wenig weiter, dann verringerte sich die Geschwindigkeit, und der Korb schaukelte leicht hin und her, bevor er ein kleines Stück über der Eisenkugel und dem Loch im Eis zur Ruhe kam. Der Fischer Ambrosius hielt Odin gut fest. Niemand konnte wissen, ob
nur die Eisenkugel auseinander gerissen würde oder ob nicht auch Korb und Ballon Schaden nahmen, ob nicht sogar ihre eigenen Körper in eine unendliche Anzahl von Teilen zersplittert würden, zu Atomen und Phantomen, sodass sie wieder Teil der Substanz und des Ursprungs des Universums wurden.
    Plötzlich gab es einen gewaltigen Ruck im Korb, und der Fischer, Harald Adelstensfostre und Odin fielen um. Es ertönte ein gewaltiger Knall oder besser ein Laut, der so grell war, dass man den Eindruck hatte, es gäbe ihn nicht, der aber trotzdem seine Wellen wie einen alles umfassenden eisigen Wind durch die Luft sandte. Dann war alles still.
    Der Erste, der auf die Beine kam, war der Fischer Ambrosius. Er sah durch das Loch in der Seite des Korbs. Die Eisenkugel war verschwunden, zurückgeblieben war nur das zerfetzte Ende der Leine, das lose in der Luft baumelte. Alles andere war unberührt. Der Korb schwebte wenige Meter über der Oberfläche, und wäre nicht das Loch im Eis gewesen, hätten sie leicht hinunterspringen können. Doch so wie es aussah, war das ausgeschlossen. Aber sie mussten etwas tun. Die Sanduhr war fast abgelaufen, in ein oder zwei Minuten würde sich die Luft im Ballon so weit abgekühlt haben, dass er sie nicht länger tragen würde. Der Fischer sah sich um. Die Eiskante war zu weit entfernt, um zu springen. Und hier, im Schutz der Klippenformationen, wehte nur eine schwache Brise, die den schlaffen Ballon nicht von der Stelle bewegte, sondern bestenfalls leicht schaukeln ließ. Der Fischer Ambrosius sah den Eremiten ratlos an, der den Kopf schüttelte. Auch er hatte keine Idee.
    »Glücklicherweise gibt es kein Unglück, dem ein wenig Glück nicht abhelfen kann«, sagte Odin und holte entschlossen sein Hufeisen aus der Brusttasche. Er zog die baumelnde Leine in den Korb und band das Ende an dem Hufeisen fest.
    Der Fischer Ambrosius musste mehrere Versuche

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