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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Lämmer des Herrn nicht nur zu der paradiesischen Reise zur Insel der ewigen Weiden zu spät gekommen waren, sondern dass diese auch aus unbekannten Gründen fehlgeschlagen war. Diese Entwicklung kam indessen nicht ganz unerwartet, sodass der heilige Anders Andersen mit verblüffender Schnelligkeit seinen Reserveplan aus seinen leicht umwölkten Gedanken hervorholte.

    Als Erstes riss der heilige Anders Andersen sich zusammen und erklärte den Lämmern des Herrn mit fast klarer Stimme, dass die Tatsache, dass die Wasser sich nicht für die Wiederauferstandenen Christen geteilt hatten, nur beweise, dass die Wiederauferstandenen Christen irrten, während die Lämmer des Herrn Recht hatten. Dann forderte der heilige Anders Andersen alle Lämmer des Herrn auf, nach Brennholz für ein Opferfeuer zu suchen. Und als Drittes, nachdem er einige Züge aus einer frischen Pfeife mit heiligem Gras genommen hatte, fiel der heilige Anders Andersen auf die Knie und starrte steif wie in Trance in den grauen Himmel. Doch genau in dem Augenblick, als der heilige Anders Andersen aus seiner Trance auftauchen und – als Viertes – den Lämmern des Herrn mitteilen wollte, dass der Hirte des Herrn die Lämmer des Herrn natürlich an seinem zweitausendjährigen Geburtstag zur Insel der ewigen Weiden führen werde, dass der Herr dem heiligen Anders Andersen jedoch gerade offenbart hatte, dass dies erst in einem Jahr geschehen werde, da man irrtümlich das Geburtsjahr des Herrn im Jahr eins und nicht im Jahr null angesetzt hatte, ertönte ein hoher Schrei.
    »Eine Leiche! Eine Leiche!«, rief einer der Lämmer des Herrn, der bei seiner Suche nach Brennholz über den leblosen Lennart Torstensson gestolpert war.
    Und bald konnte der heilige Anders Andersen sich selbst davon überzeugen, dass ein lebloser Mann mit dem Gesicht im schneebedeckten Sand lag und dass aus dem blonden Haar und seinen zerrissenen Sachen Blut rann. Eine große schwarze Tasche lag neben dem Mann. Der heilige Anders Andersen griff nach der Tasche und versuchte sie zu öffnen, aber die Hand des leblosen Mannes hielt den Griff, der die Öffnung zusammenhielt, fest umklammert.
    Der heilige Anders Andersen ließ die Tasche los und drehte sich zu dem leblosen Lennart Torstensson um. Er stieß den leblosen Körper an, dass er auf den Rücken rollte. Ein schwacher, fast unhörbarer Atem kam aus dem geschwollenen Mund, aber die Augen waren geschlossen, und der heilige Anders Andersen zweifelte nicht, dass der Mann nicht mehr lange zu leben hatte.
    »Möge der Herr diesem armen Lamm Barmherzigkeit widerfahren
lassen und seine Seele in seine Arme nehmen und zur Insel der ewigen Weiden tragen«, betete der heilige Anders Andersen andächtig mit gefalteten Händen und beugte sich über die Tasche und versuchte den Griff zu öffnen. Aber die Finger des leblosen Lennart Torstensson waren um den schwarzen Ledergriff wie festgefroren. Der heilige Anders Andersen überdachte einen Moment die Situation, dann faltete er die Hände und flüsterte: »Der Herr und sein Hirte mögen mir vergeben.« Worauf er resolut die Finger des leblosen Lennart Torstensson brach.
    In diesem Augenblick spülte eine riesige Welle über den schneebedeckten Strand, über den Körper des leblosen Lennart Torstensson, über den heiligen Anders Andersen und die Schuhe und Knöchel der übrigen Lämmer des Herrn und direkt in die trojanische Tasche. Und bevor der heilige Anders Andersen auch nur nach einem einzigen der zwölf beschriebenen sowie nach dem dreizehnten unbeschriebenen Stein greifen konnte, hatte die Welle sie mit ins Meer getragen, wo sie sich mit den Millionen Steinen mischten, die bereits in der Meerenge lagen.
    Und während die Steine in ihr unbekanntes Schicksal entschwanden, kam – mit den letzten zischenden Atemzügen – der dreizehnte und letzte der seltsamen Träume zu dem Propheten Lennart Torstensson:

XIII Gimle Dämmerung
    Als alles zu nichts herunterbrannte
Fenris’ Inneres Odin schützte
das Feuer erstarb, die Flut schwand
das Messer ein Loch schnitt, Gott starrte heraus
     
    Horizont zu nichts ward, aussichtslos
Fass Mut, die Rösser wir richten müssen
tapfer reiten, die Sonne retten
Fass Mut, nun naht die Gimle Dämmerung
     
    Aber was ist es, das himmlisch funkelt
»Hugin, Munin, die Raben dort
gleich grünt mein Geist, die Sinne klären sich
Gedanken, Erinnerung, seid hier willkommen«
     
    Ob die Vögel wohl warten auf uns alle?

    I ch mag nicht segeln. Ich mag überhaupt nicht

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