Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
Morgenwind. Bis auf den Bart, der erst wieder wachsen mußte, fehlte ihm nichts von dem, was einem fränkischen Edlen Stolz und Würde verleiht. Trotz der durchwachten Nacht war er in heiterer Laune.
„Er wird es sich anders überlegt haben“, sagte er leichthin. „Vielleicht ist er auch kein Frühaufsteher.“
„Hat man ihn denn geweckt?“
„Ich meine, Lupus, wir sollten dem ehrwürdigen Vater jetzt seine Ruhe gönnen. Wer weiß, was ihm noch alles bevorsteht.“
„So reiten wir ohne ihn?“
„Wozu noch warten und Zeit vergeuden?“
Wir setzten uns in Bewegung. Der zittrige alte Prior und der Advocatus des Klosters, Herr Ebbo, entboten uns am Tor ihren Abschiedsgruß. Als wir schon ein Stück fort waren, wandte ich mich noch einmal um. Da bemerkte ich fast am Ende des Zuges ein Gefährt, das ich vorher, beim Aufbruch, nicht wahrgenommen hatte. Ich stutzte, zügelte meinen Grisel und ließ mich zurückfallen. Es war ein Bauernkarren, von einem Ochsen gezogen, und auf diesem Karren stand eine Truhe. Es war die prächtige, bildergeschmückte Kleidertruhe des Herrn Agilhelmus!
„Was bedeutet das?“ fragte ich scharf, als ich an Odos Seite zurückgekehrt war. „Warum führen wir diese Truhe mit uns? Du hast sie dir doch nicht etwa schenken lassen?“
„Warum regst du dich auf?“ erwiderte er ohne Verlegenheit. „Ich fand, daß sie sich in der Wohnung eines Abts recht seltsam ausnahm. Hast du nicht selbst immer gegen die Prunksucht der Äbte und Bischöfe gewettert?“
„Und was war der Preis? Was hast du ihm dafür versprochen? Verzicht auf die Anklage vor dem Hofgericht?“
„Ich habe ihm nur in Aussicht gestellt …“
„… daß ihm nichts mehr geschehen wird. Großartig! Wunderbar! Nun wird man also auch uns vorwerfen können, daß wir Geschenke nehmen und uns bereichern. Wie vielen anderen Königsboten! So wirst du uns beide in Verruf bringen …“
Ich redete weiter, ereiferte mich. Odo verteidigte sich gelassen. Doch ich konnte mich einfach nicht beruhigen und fing immer wieder von neuem an. Natürlich vermied ich es, ihn vor den Ohren der Leute zu tadeln. Aber sobald es sich ergab, daß wir uns etwas absetzten und außer Hörweite waren, kam ich auf die Sache zurück. „Diese Truhe in unserem Reisegepäck ist eine Schande!“ sagte ich wieder und wieder. Odo verlegte sich schließlich aufs Schweigen. Er seufzte nur noch und gab es auf, mir zu antworten.
Gegen Mittag erreichten wir jenen Eichenhain, in dem wir sechs Tage vorher Schutz vor dem Unwetter gesucht hatten. Das immune Gebiet lag hinter uns, und so war dieser Ort geeignet, über die sieben Mörder Gericht zu halten. Ich selber führte die Anklage. Nachdem das Urteil gesprochen war, übernahmen Fulk und die Recken den Rest. Sie banden den sieben die Hände und verhüllten ihnen die Augen. Dann knüpften sie sie an einen toten Baum, wie es üblich ist. Als wir uns auf der Straße umwandten, sahen wir sie dort hängen, im Oktoberwind schaukelnd, zur Abschreckung für die Vorüberziehenden.
Herr Rocco, den wir benachrichtigt hatten, kam uns entgegen und brachte Rouhfaz mit. Wir nahmen Abschied von Ebrachar, Cleph und den anderen. Odos Vetter begab sich zu Rocco, um seine Tochter in die Arme zu schließen und durch ihre Pflege wieder Kraft zu gewinnen. Ob er je in der Lage sein wird, nach Hause zurückzukehren? Immerhin besteht Hoffnung, daß das mit Mord und Betrug erschlichene Testament durch ein königliches Machtwort aufgehoben wird. Mittlerweile wird Cleph die Güter verwalten und seiner Dame im Turmgemach dienen. Falls er doch noch ein reicher Erbe wird, nimmt sie ihn vielleicht zum Gemahl. Das alte fränkische Recht, das unseren Urgroßvätern noch heilig war, wird die beiden nicht stören.
Unser kleiner, sieben Mann starker Trupp zog weiter, auf das Königsgut zu, das wir schon vor sechs Tagen erreichen wollten. Die Stimmung war gedrückt, kaum jemand sprach. Wir waren alle übernächtigt, und eine siebenfache Hinrichtung, wenn auch an gemeinen Verbrechern vollzogen, ist nicht geeignet, die Gemüter aufzuheitern. Was mich betraf, so war ich noch immer von Wut und Scham erfüllt, wenn ich mich umblickte und das Ochsengespann mit der Truhe sah. Das brave Zugtier war an unseren Wagen gebunden, so daß Rouhfaz beide Gefährte lenken konnte. Ich hatte es aufgegeben, Odo Vorwürfe zu machen. Nur ab und an warf ich ihm einen Blick zu, in den ich meine ganze Enttäuschung über sein unverantwortliches Handeln legte. Unsere
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