Con molto sentimento (German Edition)
1
Claude Debière starrte an die Decke des Schlafzimmers, immerhin war es sein eigenes Zimmer, und wusste, er hatte es mächtig übertrieben. Jetzt war es endgültig genug und eigentlich war er für so etwas auch schon viel zu alt.
Nein, zu alt war er nicht, berichtigte er sich selbst in Gedanken. Mit 26 war man noch nicht zu alt, um regelmäßig in Clubs abzufeiern und sich einen Kerl zu angeln. Zumal er glatt als 24-jähriger durchging. Aber das jetzt war zu viel. Es war ein gewisser Punkt erreicht und jetzt sollte er aufhören, wollte er nicht als sexbesessener Egomane enden, der sich jede Nacht jemand anderen ins Bett zog.
Apropos ›ziehen‹, die Frage war nun, wie zog er sich elegant aus der Affäre. Claude drehte den Kopf und starrte auf die Zeiger seines altmodischen Weckers. Eines dieser Originalmodelle aus Metall, die über dem Ziffernblatt zwei geradezu monströse Glocken angebracht hatten und die man noch mit einem Stellrad auf die richtige Uhrzeit einstellen musste. Es war ein vererbtes Stück von seiner Großmutter.
Noch hatte er immerhin zwanzig Minuten Zeit sich eine Lösung zu überlegen. Dabei hatte er gestern Nacht noch nicht einmal irgendwelche Pillen eingeworfen, was Claude ohnehin nicht mehr tat seit ein Freund auf diese Weise im Krankenhaus gelandet war. Sogar auf den obligatorischen Poppers hatte er verzichtet und doch wusste er nicht...
Er schielte an sich herab und da waren sie, seine beiden Probleme. Eigentlich waren es sogar drei Probleme, wie er nun feststellen musste. Nummer Eins war der schlanke, jungenhafte Blonde, der neben ihm auf dem Bauch lag und dessen Hintern eine schöne Silhouette vor dem Licht abgab, das von der Tür hereinfiel. Nummer Zwei hingegen war ein großgewachsener, muskulöser Afrikaner, dessen Hand – noch immer – um Claudes Problem Nummer Drei geschlungen war: Seine Morgenlatte.
Claude lag mit zwei Männern im Bett. So weit, so gut. Denn das war nicht zum ersten Mal geschehen. Doch was ihn dieses Mal so schockierte und ihn gründlich an seinem Lebensstil zweifeln ließ: Er konnte sich nicht einmal mehr an ihre Namen erinnern! Wie peinlich. Als ob es nicht allein schon in der Natur der Sache lag, dass der ›Morgen danach‹ per Definition peinlich sein musste.
Darum übernachtete Claude auch gerne in fremden Schlafzimmern. So konnte er schnell verschwinden, wenn er denn wollte. Zur Not auch noch mitten in der Nacht und war von der unangenehmen Aufgabe befreit den Lover vor die Tür zu setzen.
Diese elegante, wenn auch etwas unhöfliche, Lösung blieb ihm heute versagt und ausgerechnet heute Morgen musste er zusehen, dass er pünktlich ins Konservatorium ging. Die ersten Proben für das neue Orchesterprogramm standen an und er sollte eigentlich... Claude stöhnte und fasste sich an den Kopf. Mit den Proben würde er sich befassen, wenn es so weit war, jetzt musste er zusehen, dass er Nummer Eins und Nummer Zwei aus seiner Wohnung schaffte.
Zum Glück hatte er weder einen Kater noch sonstige Kopfschmerzen und sollte einigermaßen fit sein.
Vorsichtig befreite er sich aus Nummer Zweis Umklammerung und tappte ins Badezimmer, wo er dann alleine Problem Nummer Drei anging. Während er gerade aus der Dusche stieg, hörte er seinen Wecker und die empörten Rufe seiner Gäste.
Claude ließ sich dadurch zunächst nicht stören und griff nach dem Tiegel mit Feuchtigkeitscreme. Wie war das noch einmal mit dem Alter?
Früher hatte er eine ganze Nacht durchfeiern können, früh am Morgen ins Bett fallen und dann noch, ohne mit der Wimper zu zucken, mit seinem Kumpel und Mitbewohner Federico einen Dauerlauf durch den Park hingelegt. Eine Dusche und er hatte gestrahlt wie der taufrische Morgen.
Heute verbrachte er bedeutend mehr Zeit im Badezimmer und damit er immer wieder so taufrisch aussah, bedurfte es unter anderem einer sündhaft teuren, importierten Creme aus den USA. Was tat man aber auch nicht alles für ein jugendliches Äußeres!
Nummer Eins und Zwei hatten es irgendwie geschafft den Wecker auszustellen und lümmelten mehr schlafend als wach auf seinem Bett herum. Die Bettwäsche würde er heute Abend wechseln, wenn er vom Konservatorium zurückkam. Jetzt hatte er keine Zeit mehr dazu.
»D‘accord. ..«, Claude holte gespielt gehetzt Luft. »Jungs, ich muss los und habe heute Morgen einen wichtigen Termin. Das heißt für euch, zieht euch bitte an und geht. Ich hätte sowieso nichts zum
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