Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
übergab den Männern die Waffe. Doch als sie Hand an ihn legen wollten, stieß er sie heftig weg und trat auf Herrn Agilhelmus zu, um ihm etwas zu sagen. Der Abt wich mit einer flatternden Abwehrgeste zurück und brachte die Truhe zwischen sich und den anderen, dessen grobes, härendes Büßergewand sich in dem verschwenderischen Licht und der eleganten Umgebung recht seltsam ausnahm. Ich traute meinen Augen nicht: Es war Odo.
Wie war er hierher gekommen? Jetzt war keine Zeit, darüber Vermutungen anzustellen. Später erfuhr ich, daß Theophan seine Absicht wahrgemacht und dem Abt den ‚schönen Edelmann und großen Sünder‘ empfohlen hatte. Während der Abwesenheit des Subulcus, der mich zu Ebrachar führte, wollte Odo versuchen, zu dem Tor zu gelangen. Vom Fenster aus hatte er festgestellt, daß es lediglich von drei Knechten bewacht war, die ihre Aufmerksamkeit dem Würfelspiel widmeten. So hoffte mein Freund, das Tor ohne Mühe im Handstreich zu nehmen. Er schlich jedoch gerade aus dem Saal, als ihm zwei bewaffnete Männer entgegenkamen und ihn fragten, ob er Faramod sei. Als er bejahte und sie, wieder den eifernden Büßer spielend, aufgeregt bat, sie möchten ihm helfen, sein Kreuz zu finden, damit er endlich die Pilgerfahrt fortsetzen könne, ergriffen sie sich bei den Händen, bildeten eine Sitzbank, befahlen ihm, Platz zu nehmen und trugen ihn geradenwegs über den Hof und an der Kirche vorbei in die Wohnung des Abts. Hier empfing ihn der ehrwürdige Vater auf das liebenswürdigste, paßte eigenhändig seinen geschundenen Füßen ein Paar weicher Pantoffeln an und bat ihn zur Tafel. Die Männer, die ihn gebracht hatten, Vasallen aus der weltlichen Gefolgschaft des Abts, bezogen Posten vor der Tür. Was blieb Odo übrig, als weiter den Faramod zu spielen? Der Herr Agilhelmus unterhielt sich mit ihm und war so begeistert von dem stattlichen Pilger, daß er nach kurzer Zeit schon den Entschluß faßte, ihn ein Stück auf dem Wege nach Rom zu begleiten. Wobei er feinsinnig zu verstehen gab, die Sünde erst noch begehen zu müssen, für die er sich das Kreuz mit aufladen wolle. In gehobener Stimmung trat er an seine Kleidertruhe, um ein Gewand für die Pilgerfahrt auszusuchen. Da flog die Tür auf und ich …
„Sie wollen entführen Herrn Ebrachar!“ quäkte Theophan, der sich mit Zacharias und anderen hinter mir hereingedrängt hatte. „Haben bestochen Bruder Subulcus, der diesen hier hat zu ihm gebracht … und wenn durch Zufall wir nicht wären gekommen, um dem Armen labenden Trunk zu reichen …“
„Den Giftbecher!“ rief ich, indem ich aufsprang. „Sie wollten ihn gerade zu Tode laben!“
„Das ist pseudos! Schändliche Lüge! Wie kann falscher Pilger die Wahrheit sprechen? Fabiolus und Zacharias haben erkannt diesen Mann. Er ist Betrüger, und auch der andere …“
„Falsche Pilger? Betrüger?“ wiederholte der Herr Agilhelmus, der immer noch hinter der Truhe Schutz suchte, mit bebenden Lippen. „Auch Ihr, Herr Faramod …?“
„Mein Name ist Odo“, sagte mein Amtsgefährte. „Ich stamme aus Reims und bin ein Vetter des Ebrachar. Und das ist Lupus, aus einem edlen Geschlecht in Ostfranken. Es ist wahr, wir sind falsche Pilger. Aber wir sind richtige Königsboten!“
„Königsboten?“ Der ehrwürdige Vater dehnte das Wort und gewann dabei sichtlich seine Fassung zurück. „Ich glaube, ich habe von euch gehört … man hat mir dieses und jenes berichtet. Ihr seid also die Königsboten! Seid ihr dieselben, die Herrn Ebrachar vor einigen Wochen gewaltsam hinderten, sein Testament zu unterzeichnen?“
„Wir hatten schon damals die Absicht, ihm das Leben zu retten!“
„Seid ihr auch diejenigen, die unseren guten Comes Magnulf überreden wollten, das Kloster zu überfallen und die Mönche zu verschleppen?“
„Nur einige Mörder, die bestraft werden müssen!“
„Seid ihr vielleicht auch mit jenen Gesetzesbrechern im Einverständnis, welche vor kurzem nachts in eine Kapelle einbrachen? Um eine Jungfrau zu entführen, die sich dem Dienste des Vaters und des Sohnes widmen wollte?“
„Sie hatte bereits dem Heiligen Geist gedient. Das genügte!“
„Diese Sprache entlarvt euch!“ rief der ehrwürdige Vater und trat hinter der Truhe hervor wie ein Kriegsherr hinter seiner Verschanzung, nachdem er die Feinde durch einen vernichtenden Pfeilregen in die Knie gezwungen hat. „Es ist die Sprache von Männern, die keinen Glauben und keine Moral haben! Was wunder, daß sie
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