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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Rinnsale übrig und glänzende Tropfen auf Blättern und Halmen. Frischer und heiterer war alles ringsum. Die Vögel, die vorher schon träge verstummt waren, begrüßten vielstimmig den verjüngten Tag. Bald war es allein die zerstörte Kiefer, die noch an das Gewitter erinnerte. Der starke Wind hatte das Feuer gelöscht. Als halb verkohlter, gespaltener Stumpf ragte sie in den blauen Himmel.
    Wir sammelten uns vor dem Eingang der Höhle. Unser Thüring blieb nach wie vor verschwunden. Wir hatten schon eine Weile unruhig gewartet, als Heiko zwischen den Bäumen hervortrat und fluchend gestand, daß ihm der Bursche entwischt sei.
    „Schlechte Sitten“, bemerkte Odo. „Er hätte sich wenigstens verabschieden können. Vorwärts, Männer, beeilen wir uns! Wir müssen weiter!“
    „Ohne Führer?“ rief Rouhfaz angstvoll.
    „Du kannst ja hierbleiben. Falls du es vorziehst, Meister Rouhfaz, es dir in der Höhle gemütlich zu machen … in der Gesellschaft der Hexe …“
    Ein Gelächter brach aus auf Kosten des Kahlkopfes. Damit löste sich endlich die Spannung, die die meisten von uns seit der Ankunft vor der Höhle beherrscht hatte. Wir zogen noch einmal die Riemen unseres Gepäcks fest und ergriffen die Zügel unserer Tiere. Und indem wir uns Odo und seinem vielgerühmten, auf Erkundungsgängen und Jagden erprobten Spürsinn anvertrauten, setzten wir uns erneut in Bewegung.
    „Du hattest richtig verstanden, die Frau vor der Höhle warnte uns“, sagte ich etwas später zu ihm, als der Weg breiter wurde und wir aufsitzen und ein Stück nebeneinander reiten konnten. „Sie forderte uns sogar auf zu fliehen!“
    „Nun, das muß uns nicht weiter kümmern“, erwiderte er leichthin. „Diese Zaunreiterinnen sehen überall Unglück. Vielleicht wollte sie uns auch nur neugierig machen und ihre Dienste anbieten. Wir hätten sie nicht verscheuchen sollen. Vielleicht weiß sie etwas und wäre uns nützlich gewesen.“
    „Besser ist es, man traut ihnen nicht“, fühlte ich mich verpflichtet zu sagen. „Sie treiben viel heidnischen Unfug.“
    „Jetzt bist du zu streng, mein frommer Freund! Ob es dir paßt oder nicht … so eine hat mir mal das Leben gerettet.“
    „Tatsächlich?“
    „Das war in Sachsen, nach einer verlorenen Schlacht. Ganz am Anfang, als wir noch etwas seltener siegten. Unser ruhmreicher Karl und sein christliches Gefolge nahmen tapfer Reißaus, während ich auf dem Schlachtfeld liegenblieb. Mit einem Pfeil im Oberschenkel und einer Schwertwunde in der Schulter. So eine Hexe, die sich auf Kräuter, Sprüche und Zauberei verstand, hat mich geheilt. Übrigens war sie noch jung, es gibt nämlich auch junge unter ihnen. Sie hauste im Wald, weil sie ihre Familie verloren und Angst vor den Franken hatte.“
    „Die du ihr natürlich genommen hast.“
    Odo lächelte von der Höhe des Pferderückens auf mich Eselsreiter herab und strich sich den schwarzen, glänzenden Schnurrbart.
    „Konnte ich widerstehen, Vater? Sie war eine Schönheit, ein echtes Naturkind. Und ich war ihr ja auch etwas schuldig.“
    „Die vor der Höhle war alt und häßlich“, mischte sich Fulk, der hinter uns ritt, ins Gespräch. „Eine Vettel. Schrundig wie der Arsch eines Bocks.“
    „Hast du sie dir denn genauer angesehen?“ fragte ich.
    „Freilich. Es wurde ja gerade hell, als ich dem Weib den Fetzen herunterriß. Sie versuchte, mit dem Arm ihr Gesicht zu verdecken. Ich sah nur die eine Hälfte, doch das genügte schon. Kein Auge! Statt dessen ein totes Loch. Und eine gewaltige Schramme quer drüber.“ Er lachte. „Die hat ihr vielleicht der Teufel gemacht! Vielleicht ist sie seine Mutter. Es heißt ja, der Teufel schlägt seine Mutter, wenn es mal schön ist und mal regnet.“
    „Und wovor warnt sie uns nun?“ fragte mich Odo. „Warum sollen wir verschwinden?“
    „Willst du den Spruch noch einmal hören?“
    „Ja. Nur in einer verständlichen Sprache.“
    Ich nahm die Schreibtafel in die Hand.
    „Also paß auf! ‚Der Himmel brennt, und der Boden schwankt, Feuer und Wasser mischen sich …‘“
    „Nun, das mußte uns nicht erst die Hexe verkünden. Das Gewitter haben wir miterlebt.“
    „Das ist wohl auch nur eine Eingangsformel. Die entfesselten Elemente versinnbildlichen die menschlichen Leidenschaften. Höre weiter! ‚Fremde, beachtet das Zeichen, flieht die Bäume, welche vom Himmel gefallen …‘“
    „Klingt schon geheimnisvoller. Aber ich fürchte, nach solchen Bäumen können wir lange Ausschau

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