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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Zehn Jahre Trockenheit haben die Einwohner ruiniert, die jegliche Hoffnung auf Erträge aus Viehzucht, Ackerbau oder gar Tourismus haben aufgeben müssen. An Investitionen ist nicht mehr zu denken. Hinzu kommt die Demütigung, ständig bei der öffentlichen Hand, den nicht staatlichen Organisationen, der Afrikanischen Union und den internationalen Vereinigungen betteln zu müssen. Kongoussi ist nur eine Akte unter Tausenden.
    Étienne Zebango ist seit ihrer Gründung im Jahr 2011 Mitglied der PRB, der zurzeit in der Regierungsverantwortung stehenden Partei für die Erneuerung Burkinas. Von Anfang an hat er sich bemüht - zunächst im Stadtrat, später als beigeordneter Bürgermeister und dann als Bürgermeister -, die von der Präsidentin eingeforderten Prinzipien anzustreben: ökonomische Solidarität, dauerhafte Weiterentwicklung, Umweltschutz, Unabhängigkeit auf den Gebieten Energieversorgung und Ernährung, Zugang zu freier, kostenloser Bildung sowie öffentlichen Dienstleistungen für alle. Das sind natürlich löbliche Grundsätze, allerdings erfordern sie ein Minimum an gesellschaftlicher Organisation. Wie jedoch soll man das alles bewerkstelligen, wenn die Stadträte einer nach dem anderen wegsterben oder auswandern, Geschäfte schließen, weil die Kunden wegbleiben, Bauern in unfruchtbarem Sand herumstochern, Viehzüchter gezwungen sind, die Kadaver ihrer toten Tiere selbst zu essen, wenn Bewässerungskanäle nichts als Staub enthalten und der Asphalt der Straßen sich in der Sonne verflüssigt, ohne dass ein Lkw seine Spuren hinterlässt? Oder wenn das Wasser nicht mehr vom Staat geliefert wird, sondern von einer Mafia, die horrende Preise nimmt, ohne die gesundheitliche Unbedenklichkeit zu garantieren? Was soll er noch versprechen, planen oder verkünden? Woher soll er die erforderlichen Mittel nehmen? Und wie soll er unter diesen Umständen noch an das Überleben der Stadt Kongoussi glauben?
    Schon oft hat Étienne daran gedacht, abzudanken und die erdrückende Verantwortung, den Todeskampf einer Stadt und einer ganzen Region zu verwalten, auf andere Schultern abzuladen. Auch er hätte seine Familie gern an einen Ort gebracht, wo es noch Wasser gibt - an die Elfenbeinküste vielleicht, oder nach Mali. Doch abgesehen davon, dass dieser Schritt seine Karriere als zukünftiger Abgeordneter vorzeitig beenden würde - was ihm allerdings inzwischen zweitrangig erscheint -, würde er der Stadt Kongoussi den vorzeitigen Todesstoß versetzen. Étienne weiß genau, dass es niemanden gibt, der ebenso kompetent und den demokratischen Idealen verschrieben ist wie er und der zudem bereit wäre, ihn abzulösen. Die Macht würde aufgeteilt werden und sich verflüchtigen wie eine Wasserlache in der Sonne; die sich selbst überlassene Provinz würde im Chaos versinken, und jeder würde nur noch versuchen, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Struggle for life, würde ein Amerikaner wohl sagen. Es sind düstere Perspektiven, denen Präsidentin Fatimata Konaté um jeden Preis Einhalt gebieten will. Und Étienne ist verantwortlich. Manchmal weiß er vor Angst weder aus noch ein, doch er ist nicht in der Lage, sich dieser Verantwortung zu entziehen, weil er damit ewige Schande auf sein Haupt laden würde - es ist sein Gewissen, das ihn verpflichtet.
    »Étienne? Hast du keine Lust auf deinen Tee? Was beschäftigt dich so sehr?«
    Er hebt die Augen zu Alimatou, seiner üppigen Frau, die gerade dabei ist, die Essensreste vom Tisch abzuräumen. Es hatte Foutou gegeben, gestampfte Wurzelgemüse, allerdings ohne die traditionelle Okra-Sauce, weil es auf dem Markt keine Okras mehr zu kaufen gibt. Dann wirft er einen Blick auf sein Glas voll Tee aus getrockneter Pfefferminze - frische Minze ist so teuer geworden, dass auch ein Beamter sie sich nicht mehr leisten kann - und trinkt einen Schluck. Der Tee ist fast kalt und kaum gezuckert, denn auch Zucker ist inzwischen rationiert, obwohl kein Mensch weiß, warum. Glücklicherweise haben sie wenigstens noch ausreichend Wasser zur Verfügung. Alimatou hat als vorausschauende Hausfrau Reserven angelegt, die zwar auch nicht unerschöpflich sind, die aber die Engpässe erträglicher machen.
    »Sagst du es mir, oder muss ich raten?«, drängt sie.
    Étienne zuckt die Schultern und trinkt seinen Tee aus. Sie schenkt ihm sofort ein zweites Glas ein.
    »Du weißt doch«, seufzt er. »Die Lage ...« Er zeigt auf den Fernseher, wo im Augenblick Werbung für ein Wassertest-Set zu 9900 CFA

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