Einschlafbuch Fuer Hochbegabte
Geniale Störungen und wundersame Rezepte
»Wer originelle Einfälle haben will, muss gut schlafen«, lehrte Pablo Picasso. Er selbst lag häufig wach, vor allem während intensiver Schaffensphasen. Es dauerte einige Jahre, bis er sein ganz persönliches Rezept gegen Schlaflosigkeit gefunden hatte: Zeichnungen alter Meister betrachten. »Das Idyllische beruhigt.« Im Bett liegend, bei gedämpftem Licht, vertiefte er sich in alte Blätter, in Landschaften von Rembrandt und in Naturszenen von Ruisdael, folgte den Bögen, Schraffuren, Linien – und nickte ein. Das Blatt sank auf die Bettdecke. Diese Gewohnheit war der Grund dafür, dass die Grafiken alter Meister aus Picassos Nachlass zahlreiche wertmindernde Falten und Knickspuren aufwiesen. »Pablos Einschlafrezept«, seufzte der Auktionator, »war kostspielig.« Doch guter Schlaf ist wichtiger als das Glück der
Erben. Wir können Picassos Rezept befolgen – wie auch all die anderen Einschlaftricks der Hochbegabten, die in diesem Buch versammelt sind. Natürlich lässt sich nicht jedes einzelne Rezept perfekt nachahmen. Mit der Axt Bäume zu fällen, wie es der spleenige Altkaiser Wilhelm II . zu tun beliebte, ebenso der Schauspieler Harrison Ford, um nach einem Tag voller Geistesblitze körperlich müde zu werden – das ist uns nur eingeschränkt möglich. Die Leute von gegenüber würden die Stirn runzeln, wenn die von uns umgelegten Bäume auf ihr Auto krachten. Ebenso ist es nur wenigen vergönnt, wie Queen Victoria zum Einschlafen eine Schar elfengleicher Jungfrauen herbeizuwinken, die schottische Lullabys zum Besten geben, mit abnehmender Lautstärke. Sobald Ihre Majestät rasselnd zu schnarchen begann, durften die Mädchen das Gemach verlassen; sie mussten nicht mal mehr auf Zehenspitzen trippeln.
Die meisten Einschlaftricks der Zartbesaiteten und Hochbegabten – Streichhölzer ordnen, Bücher rückwärts lesen, aufräumen, im Kreis gehen, die Zimmerdecke mit imaginären Farben bemalen – können wir hingegen mühelos ausprobieren. Ich spreche von uns, von Ihnen und mir, die wir wie Leonardo da Vinci oder Agatha Christie, wie Marilyn Monroe oder Albert Einstein zu den Genies zählen, die schlecht schlafen. Natürlich schlafen wir nicht immer schlecht. Aber häufiger als Minderbegabte.
»Dumme schlafen gut«, seufzte Preußenkönig Friedrich, als er zur Abhilfe der eigenen Rastlosigkeit nachts Bleisoldaten zu perfekten Schlachtordnungen aufreihte. Mit »dumm« meinte er nicht nur seine Leibwächter, die während seiner nächtlichen Unruhe hemmungslos vor der Tür schnarchten – nach des Königs Einschätzung einzig vergleichbar den unsensiblen Jüngern, die während der Not ihres Meisters im Garten von Gethsemane seelenruhig dösten. Friedrich meinte mit »dumm« auch seine Lieblingsfeindin, die österreichische Kaiserin Maria Theresia, die nach Auskunft ihrer Garden selbst im Krieg vor schwierigsten Entscheidungen tief und unstörbar schlummerte.
Was ist dran an der Schlaflosigkeit der Hochbegabten? Die Schlafforscher, voran diejenigen der American Academy of Sleep Medicine , haben eine auffallende Verbindung von Intelligenzquotient und Schlafschwierigkeiten ermittelt. Nicht, dass jeder, der schlecht schläft, von herausragender Intelligenz wäre. Der Nachbar über uns zum Beispiel, der mitten in der Nacht den Inhalt seiner Schubladen auf den Boden schüttet und zu kramen beginnt, ist strohdumm und schläft trotzdem nicht. Aber bei ihm liegt es am Kaffee, bei uns an der Intelligenz. Und natürlich an unserer Sensibilität.
Sollte unser IQ nicht ganz so hoch sein wie bei den unruhigen Schläfern Galilei und Stephen Hawking, liegt unser nächtliches Wachsein an unserer außergewöhnlichen Feinfühligkeit. Nicht alle Hochbegabten müssen die Quantenmechanik draufhaben. Zu Hochbegabten dürfen sich auch jene zählen, die besonders empfindsam sind, und natürlich alle, die sich durch bewundernswerte Kreativität auszeichnen. Da sind wir also wieder, Sie und ich.
Eine Forschergruppe der American Sleep Association hat sich die Mühe gemacht und die Biografien von Künstlern untersucht, von Malern, Musikern, Dichtern, Architekten, Tänzern, Schauspielern, dazu noch von Entdeckern, Forschern und Erfindern. Und siehe da, beinahe hätten wir es geahnt, sie schlummerten auffallend unruhig. Fast alle. Und zweifellos schlechter als ihre weniger begnadeten Mitarbeiter. Ihr Schlaf war löchrig, leicht störbar, kurz. Sie konnten schwer zur Ruhe kommen,
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