Ödland - Thriller
das Gerät von ihrem Gürtel und reicht es Mr. Smith. Er schließt es mit einem dünnen Kabel an das graue Kästchen an.
»Er war der Webmaster von SOS-Europa. Sie arbeiten für dieselbe Hilfsorganisation. Ehrlich gesagt kann ich kaum glauben, dass Sie keinen Kontakt miteinander haben.«
»Und doch ist es so. Unsere Familienbande sind nicht besonders eng geknüpft.«
»Die SMS wurde aus einem Internetcafé in Singapur verschickt«, stellt Mr. Smith fest.
»Kennen Sie oder Ihr Bruder jemanden in Singapur?«, hakt Mr. Jones sofort nach.
»Sie machen wohl Witze!« Laurie muss unwillkürlich grinsen. »Yann ist ein ausgemachter Stubenhocker, der kaum jemals einen Fuß vor die Tür setzt. Bestimmt hat er Frankreich noch nie im Leben verlassen.«
»Für jemanden, mit dem Sie angeblich nie Kontakt haben, kennen Sie ihn aber ganz gut«, bemerkt der Cyberpolizist.
»Immerhin ist er mein Bruder.«
»Warum haben Sie in den letzten Tagen mehrfach versucht, ihn anzurufen? Was wollten Sie ihm mitteilen?«
»Ich wollte ihn besuchen. Ganz einfach. Ihn mal wieder sehen.«
»Ist das wirklich das einzige Motiv? Sonst nichts? Keine laufende Angelegenheit? Oder eine Rückzugsdeckung?«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Was für eine laufende Angelegenheit?« Yann, was hast du bloß angerichtet?
Mr. Jones macht sich an der Feinabstimmung zu schaffen und verändert das Raster. Doch an den Gegebenheiten verändert sich nichts: Der Detektor empfängt zwar eine gewisse Beunruhigung, doch die Kurve zeigt keine Ausschläge, die auf eine Lüge oder eine bewusste Verheimlichung schließen lassen.
»Was ist Ihre Lieblingshomepage?«, fragt Mr. Smith.
»Ich habe keine. Ich mag das Internet nicht und surfe nur, wenn es unbedingt notwendig ist.«
»Aber Sie besuchen regelmäßig die Webseite von SOS-Europa.«
»Selbstverständlich. Wie Sie sehr wohl wissen, arbeite ich für SOS.«
»Aber nicht während der vergangenen drei Tage. Warum?«
»Ich hatte eine Auseinandersetzung mit dem Präsidenten Markus Schumacher und brauchte ein bisschen Abstand.«
»Ging es in dieser Auseinandersetzung um Ihren Bruder?«
»Nein, um einen Auftrag, den ich abgelehnt habe. Aber warum fangen Sie immer wieder mit meinem Bruder an? Was, um alles in der Welt, hat er verbrochen?«
Die beiden Agenten wechseln einen Blick - möglicherweise auch Daten - durch ihre Cyglasses. Dann fährt Mr. Jones fort:
»Wissen Sie, warum man Ihren Bruder seiner Stelle als Webmaster enthoben hat?«
»Was? Yann ist entlassen worden?«
»Wussten Sie das nicht?«
Der Bildschirm zeigt nichts als ehrliche Überraschung. Ein Ausschlag wie von einer Lüge oder einer Verheimlichung ist nach wie vor nicht zu sehen. Mr. Jones wirft seinem Kollegen einen neuerlichen Blick zu - möglicherweise tauschen sie wiederum Daten aus -, woraufhin Mr. Smith sich erhebt, das Kästchen ausschaltet und in die Anzugtasche steckt.
»Gut. Entschuldigen Sie bitte die Störung, Mademoiselle.«
»Und halten Sie sich zu unserer Verfügung«, setzt Mr. Jones hinzu. »Es könnte sein, dass wir Sie später noch einmal befragen müssen.«
Laurie begleitet die Cyberpolizisten bis zum Treppenabsatz, allerdings nicht weiter. Noch einmal in den muffigen Kellerdunst des Erdgeschosses hinuntersteigen zu müssen hätte ihre Kräfte überstiegen. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus sieht sie zu, wie sie das Haus verlassen, sorgfältig die Tür hinter sich schließen und mit der Nacht verschmelzen, kärglich beleuchtet von der einzigen noch funktionierenden Straßenlaterne.
Sie muss Markus anrufen, und zwar jetzt sofort. Ganz egal, ob Mr. Smith und Mr. Jones sie abhören.
Illegal
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Hochachtungsvoll
Grabber & Partner
Fachanwälte für Handelsrecht,
im Auftrag von Mr. Grant Morrison
Präsident der GeoWatch,
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