Ödland - Thriller
Saint-Malo sind längst nicht mehr sicher - vor allem bei Springflut.
Vor der Tür erkennt Laurie zwei schwarze Umrisse. Eine der Gestalten hält ihr eine fluoreszierende Karte mit dem Logo von NetSurvey unter die Nase.
Die Netzüberwachung! Die Cyberpolizei, die sich nur selten in der realen Welt zeigt, die aber, wie man munkelt, alles über jeden weiß, und zwar in dem Augenblick, wo man das Telefon abhebt. Was mögen sie von ihr wollen? Hat sie vielleicht etwas Illegales getan?
»Entschuldigen Sie, dass wir so spät noch stören, Mademoiselle, aber wir müssen Ihnen einige Fragen stellen.«
»Worum geht es?«, erkundigt sich Laurie misstrauisch. Viel zu oft schon hat man von falschen Polizisten gehört, und woher soll sie wissen, ob die Ausweiskarte wirklich echt ist?
»Um Ihren Bruder Yann Prigent. Dürfen wir eintreten?«
Eine Menge Fragen gehen Laurie durch den Kopf, während sie die beiden Schwarzgekleideten in die erste Etage führt, wo sie das ehemalige Elternschlafzimmer in eine Art Wohnküche umfunktioniert hat. Was hat Yann verbrochen? Was kann der große Fisch sein, von dem er gesprochen hat? Warum hat er nie auf ihre Anrufe geantwortet? Was mag die kryptische Nachricht auf ihrem Handy bedeuten? Was kann NetSurvey von ihm wollen? Und warum kreuzt die Cyberpolizei bei ihr auf?
Die beiden Polizisten sind in exakt gleiche schwarze Anzüge gekleidet und tragen Sonnenbrillen, die, wie Laurie schnell bemerkt, in Wirklichkeit Cyglasses sind. Sie erinnern Laurie an Mr. Smith und Mr. Jones, die beiden Protagonisten eines jahrzehntealten Films namens Men in Black, den sie vor einiger Zeit gesehen hat. Wäre sie nicht so beunruhigt, würde der Vergleich ihr ein Lächeln entlocken.
»Nun sagen Sie mir endlich, was los ist!«, drängt sie nervös, nachdem die beiden Männer sie minutenlang nur schweigend mustern.
»Haben Sie einen Computer?«, fragt der Cyberpolizist, den Laurie insgeheim Mr. Smith getauft hat.
»Ja, in meinem Arbeitszimmer. Aber warum ...?«
Der Mann in Schwarz verschwindet ohne Aufforderung ins Arbeitszimmer, als kenne er sich bestens in Lauries Haus aus. Sein Kollege - Mr. Jones - setzt sich an den Tisch und zieht ein kleines graues Kästchen aus der Tasche.
»Es wäre nett, wenn wir jetzt anfangen könnten, Mademoiselle Prigent. Wo hält sich Ihr Bruder auf?«
»Was ist das für ein Ding?«, fragt Laurie und zeigt auf das graue Kästchen. »Ein Aufnahmegerät?«
»Sowohl das als auch ein Lügendetektor. Ich kann Ihnen nur empfehlen, ehrlich zu antworten, denn das spart uns eine Menge Zeit.«
»Was wollen Sie von Yann?«
Mr. Jones unterdrückt eine gereizte Geste.
»Ich bin hier derjenige, der die Fragen stellt. Wo hält sich Ihr Bruder auf?«
»Zu Hause, nehme ich an.«
»Nein. Gibt es einen Ort, wohin er sich gern zurückzieht? Familie vielleicht, oder Freunde? Möglicherweise auch eine Freundin?«
» Keine Ahnung.« Yann ist nicht zu Hause? Yann, der nie den Fuß vor die Tür setzt?
Mr. Smith kommt zurück. Auch er hat ein graues Kästchen in der Hand. Auf einen Blick seines Kollegen hin schüttelt er enttäuscht den Kopf. Mr. Jones fährt in seinem Verhör fort.
»Sie wissen es also nicht?« Er konsultiert seinen Detektor.
»Mein Bruder und ich haben nur wenig Kontakt.«
»Trotzdem haben Sie ihn in den vergangenen Tagen mehrmals angerufen. Außerdem hat er Ihnen eine SMS geschickt.«
Laurie zuckt empört zusammen. Sie wird also abgehört!
»Dürfte ich kurz Ihr Handy haben?«, fragt Mr Smith und streckt die Hand aus.
»Warten Sie! Was soll das alles bedeuten? Sie dringen am späten Abend bei mir ein, durchsuchen meinen Computer, verhören mich mit einem Lügendetektor und wollen mein Telefon abhören! Was kommt als Nächstes? Ich habe nicht nur das Recht, sondern ich bestehe darauf zu erfahren, welchem Umstand ich diese Belästigung durch die Polizei zu verdanken habe.«
»Verkomplizieren Sie die Angelegenheit nicht, Mademoiselle. Wir könnten Sie auch festnehmen und fünf Tage unter Arrest stellen. Wir hätten auch das Recht, Sie zwangsweise zu verhören und Ihr Privatleben bis ins kleinste Detail zu durchforsten. Trotzdem ersuchen wir Sie lediglich mit der gebotenen Höflichkeit, uns zu helfen, Ihren Bruder zu finden, was für Sie vergleichsweise angenehmer sein dürfte.«
»Aber ich kann Ihnen beim besten Willen nicht sagen, wo er ist! Er erzählt mir nicht, was er treibt, und außerdem ruft er mich niemals an.«
»Ihr Handy bitte!«
Widerstrebend löst Laurie
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