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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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beherbergte.
    Ein Mädchen, ganz aus Diamanten und Smaragden gemacht, spazierte durch Kirbys Bewußtsein.
    Die Chirurgen hatten auch das kleinste Stückchen lebenden Fleischs von ihrem Körper weggeschnitten. Ihre Augen trugen das kalte Glitzern wertvoller Perlen; ihre Brüste waren Kugeln aus weißem Onyx, auf deren Spitzen ein Rubin ruhte; ihre Lippen waren Alabasterscheiben; ihr Haar setzte sich aus rotgoldenen Strähnen zusammen. Blaues Feuer funkelte um sie herum, Vorster-Feuer, das seltsam krachte.
    Sie sagte: „Du bist müde, Ron. Du mußt dich von dir selbst befreien.“
    „Ich weiß, ich suche die Nichts-Kammer mittlerweile täglich auf. Ich kämpfe gegen einen Zusammenbruch an.“
    „Du bist zu starr, das ist dein Problem. Warum gehst du nicht zu meinem Chirurgen? Laß dich mal verändern. Werde das ganze dumme Fleisch los. Denn so spricht der Herr: Fleisch und Blut können nicht bewohnen das Königreich Gottes; genausowenig wie Korruption der Unbestechlichkeit innewohnen kann.“
    „Nein“, murmelte Kirby. „Dem ist nicht so. Alles, was ich brauche, ist Erholung. Ein netter Schwimmausflug, Sonnenschein und eine nicht zu geringe Menge Schlaf. Aber man hat mir diesen ausgeflippten Marsianer aufs Auge gedrückt.“
    Die Halluzination lachte schrill und schlug ihre Arme in einem Sinuswinkel übereinander. Man hatte ihr die Finger weggeschnitten und durch Ebenholzbolzen ersetzt. Ihre Fingernägel bestanden aus poliertem Kupfer. Ihre boshafte Zunge, die zwischen den Alabasterlippen hin und her schnellte, erinnerte an eine Schlange aus grellem Flexiplast. „Halt ein“, summte sie wollüstig vor sich hin, „ich zeige dir ein Geheimnis. Wir sollen zwar nicht alle schlafen dürfen, aber wir sollen alle verändert werden.“
    „In einem Augenblick“, sagte Kirby, „im Zeitraum eines Augenzwinkerns. Die Posaunen des Jüngsten Tages werden erschallen.“
    „Und die Toten sollen als Unbestechliche wieder auferstehen. Tu es, Ron. Du wirst dann noch anziehender aussehen. Vielleicht gelingt es dir dann auch, deine nächste Heirat etwas länger andauern zu lassen. Du vermißt sie – gib es zu. Du müßtest maischen, wie sie jetzt aussieht. So vollkommen, wie das nur eben geht, liegt deine Liebste da. Aber sie ist glücklich. Denn aus dem Korrupten muß das Unbestechliche werden und aus dem Sterblichen das Unsterbliche.“
    „Ich bin ein Mensch“, protestierte Kirby. „Und ich werde mich nicht in solch ein wandelndes Museumsstück wie du verwandeln lassen. Oder meinetwegen auch wie sie. Und selbst dann nicht, wenn es für Männer in Mode kommt, sich so behandeln zu lassen.“
    Das blaue Glühen begann um die Vision in seinem Kopf zu pochen und zu pulsieren. „Aber du brauchst Hilfe, Ron. Die Nichts-Kammer ist nicht die Antwort auf deine Probleme. Sie ist – nichts. Schließe dich uns an. Gehöre dazu. Arbeit ist auch nicht die richtige Lösung. Schließe dich an. Schließe dich an. Du willst dich nicht zerschneiden lassen? Nun gut, dann werde ein Vorster. Ergib dich der Harmonie. Laß den Tod vom letzten Sieg verschlungen werden.“
    „Kann ich nicht einfach ich selbst bleiben?“ rief Kirby.
    „Was du bist, reicht nicht aus. Jetzt nicht. Nicht mehr. Die Zeiten sind hart. Die Welt ist ein Chaos. Die Marsianer lachen uns aus. Die Venusier verachten uns. Wir brauchen eine neue Organisationsform, brauchen neue Kraft. Der Stachel des Todes liegt in der Sünde, und die Widerstandskraft gegen die Sünde liegt im Gesetz. Grab, wo ist dein Sieg?“
    Ein aufrührerischer Farbwirbel tanzte durch Kirbys Bewußtsein. Das chirurgisch veränderte Mädchen tanzte eine Pirouette, sprang, ruckte und prunkte mit der juwelenverzierten Überladenheit ihrer Erscheinung vor seinem Gesicht. Kirby bebte. Ungleichmäßig riß er an der Sniff-Maske. Für so einen Alptraum war er auch noch einen Haufen Geld losgeworden! Wie konnte jemand sich von so etwas abhängig machen – diese Reise durch die Niederungen des eigenen Verstands?
    Kirby riß die Maske endgültig ab und warf sie auf den Zellenboden. Er saugte saubere Luft in seine Lungen, flatterte mit den Augen und kehrte in die Wirklichkeit zurück.
    Er befand sich allein in der Zelle.
    Weiner, der Marsianer, war verschwunden.

 
4
     
     
     
    Der Robot, der den Sniffer-Laden leitete, war keine große Hilfe.
    „Wo ist er hin?“ wollte Kirby wissen.
    „Er ist gegangen“, kam die rostige Antwort. „Achtzehn Dollar und sechzig Cents. Wir schicken die Rechnung an Ihre

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