Öffnet den Himmel
unbeträchtliche Menge Ärger. Vor seinem geistigen Auge lag Weiner irgendwo in einer dunklen Seitenstraße mit eingeschlagenem Schädel, sein untersetzter Körper fachmännisch für eine schwarz arbeitende Organbank viviseziert. Ein vielleicht nicht unverdientes Schicksal, aber gleichzeitig die abrupte Beschneidung von Kirbys Verantwortungsbereich. Weitaus wahrscheinlicher war ein Weiner, der wie ein wild gewordener Stier – war das ein passender Vergleich, fragte sich Kirby – irgendeine Katastrophe verursachte, die unverhältnismäßig schwer wieder zu bereinigen war.
Der UN-Beamte hatte keine Ahnung, wo er suchen sollte. Eine öffentliche Telefonzelle zeigte sich an der nächsten Straßenecke. Kirby stürmte hinein und verdunkelte die Zellenwände. Er stieß seine Ausweisplakette in den Schlitz und tippte die Nummer des UN-Sicherheitsdienstes.
Der vernebelte Bildschirm wurde allmählich klarer. Das aufgedunsene, bärtige Gesicht von Lloyd Ridblom erschien.
„Nachtwache“, sagte Ridblom. „Hallo, Ron. Wo ist Ihr Marsmensch?“
„Hab’ ihn verloren. Er hat mich in einem Sniffer-Laden ausgetrickst.“
Urplötzlich schien Ridblom zum Leben zu erwachen. „Wollen Sie, daß ich ihm einen Televektor auf den Hals schicke?“
„Noch nicht“, sagte Kirby. „Mir wäre es lieber, er wüßte gar nicht, daß uns sein Verschwinden beunruhigt. Justieren Sie lieber einen Vektor auf mich ein, und bleiben Sie mit mir in Verbindung. Und leiten Sie eine Rundum-Fahndung für ihn ein. Sobald er sich findet, will ich sofort benachrichtigt werden. Ich rufe in einer Stunde zurück, um neue Instruktionen auszugeben, falls sich bis dahin nichts ergeben haben sollte.“
„Möglicherweise haben Vorster ihn entführt“, warf Ridblom ein, „und sie saugen jetzt sein Blut aus, um daraus Meßwein zu machen.“
„Leck mich am Arsch“, sagte Kirby. Er verließ die Zelle und preßte kurz die Daumen gegen die Augen. Langsam und ziellos schlurfte er bis zum Gleitband und ließ sich zur Vorster-Halle zurückbringen. Jetzt verließen ein paar Leute das Gebäude, darunter auch das Mädchen mit den irisierenden Kunstohren; ihre chirurgischen Veränderungen reichten nicht aus, um seine Horror-Halluzinationen wieder zu beleben – allerdings schien sie im realen Leben immer wieder Kirbys Weg kreuzen zu müssen.
„Hallo“, sagte sie. Zumindest ihre Stimme war angenehm. „Ich heiße Vanna Marshah. Wo ist denn Ihr Freund abgeblieben?“
„Das frage ich mich auch. Vor kurzer Zeit ist er verschwunden.“
„Sind Sie denn sein Aufpasser?“
„Also, irgendwie soll ich auf ihn aufpassen. Er ist ein Marsianer, müssen Sie wissen.“
„Das wußte ich nicht. Er verhält sich gegenüber der Bruderschaft ganz schön aggressiv, nicht wahr? Es war sehr traurig, wie er während der Andacht explodierte. Er muß furchtbar krank sein.“
„Furchtbar voll“, sagte Kirby. „Das ergeht jedem Marsianer so, der hierherkommt. Sie denken, sie haben ihr Gefängnis verlassen und können sich hier alles erlauben. Kann ich Sie zu einem Drink einladen?“
„Ich trinke keinen Alkohol, danke. Aber ich begleite Sie gern, wenn Sie einen heben gehen wollen.“
„Ich will nicht einen heben, ich muß.“
„Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wie Sie heißen.“
„Ron Kirby. Ich arbeite für die UNO. Ich bin dort ein subalterner Beamter. Nein, das ist nicht richtig: Ich bin ein höherer Beamter, der aber wie ein kleiner Beamter bezahlt wird. Lassen Sie uns hier hineingehen.“
Er stieß leicht die Schwingtür einer Eckkneipe an. Die Tür schwang auf und ließ die beiden herein. Das Mädchen lächelte warm. Sie mochte an die Dreißig sein, vermutete Kirby. Eine genauere Bestimmung war kaum möglich – mit alldem Metall, das jetzt ihr Gesicht ausmachte.
„Gefilterter Rum“, bestellte er.
Vanna Marshah lehnte sich bei ihm an. Sie benutzte ein unaufdringliches, Kirby unbekanntes Parfüm. „Warum haben Sie ihn ins Haus der Bruderschaft gebracht?“ fragte sie.
Er kippte seinen Drink, als wäre es Wasser. „Er wollte sehen, was die Vorster für Leute sind. Also hab ich ihn hingebracht.“
„Ich nehme an, Sie persönlich bringen uns auch nicht allzuviel Sympathien entgegen.“
„Ich habe eigentlich keine richtige Meinung dazu. Ich war viel zu beschäftigt, um mich übermäßig darum zu kümmern.“
„Das ist nicht die Wahrheit“, sagte sie sanft. „Sie halten die Vorster für eine Sekte von Spinnern, nicht wahr?“
Kirby bestellte sich
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