Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen
mich vor Flugzeugabstürzen, plötzlich auftretenden Seuchen, dem Alleinsein und dem Sterben. Die Lektüre der Morgenzeitung löst düsterste Phantasien über abstürzende Meteoriten, marodierende Serienmörder und tollwutkranke Füchse bei mir aus. Das Einzige, was mich halbwegs beruhigen und mir die Angst nehmen kann, ist eine Statistik, aus der hervorgeht, wie gering die Wahrscheinlichkeit für das von mir befürchtete Unglück ist.
Statistiken haben so was Wissenschaftliches, irgendwie Überzeugendes, das stärker ist als meine irrationalen Ängste. Leider können Statistiken aber auch sehr dehnbar ausgelegt werden, und darin liegt wieder ein Problem.
Wenn ich also in einen Flieger steige, denke ich unablässig daran, dass die statistische Wahrscheinlichkeit, heil den Zielort zu erreichen, bei 99,99 Prozent liegt.
Klingt ungemein beruhigend, bei näherem Nachrechnen bin ich aber schon deutlich weniger entspannt: Das heißt zwar, dass ich – zum Beispiel – 10 000-mal fliegen kann, bevor ich einmal abstürze. Aber woher weiß das abstürzende Flugzeug, dass es erst mein zehnter Flug ist und ich mit den anderen 9990 Freiflügen jetzt nichts mehr anfangen kann?
Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Sechser im Lotto zu tippen, bei 1 zu 13,9 Millionen liegt, wird das Fliegen wirklich zum unkalkulierbaren Risiko.
Für die Optimisten, die das Lottospielen trotzdem nicht lassen können, gibt’s übrigens noch eine schlechte Nachricht: Die Wahrscheinlichkeit eines Sechsers ist immer gleich, egal, welche Zahlenfolge angekreuzt wird. Omas Geburtstag, kombiniert mit dem Datum des ersten Treffens mit Karl-Heinz haben die absolut gleiche Gewinnchance wie die simple Zahlenfolge 1, 2, 3, 4, 5, 6. Ernüchternd, was?
In anderen Disziplinen sind die Chancen auf einen Treffer weit größer, so zum Beispiel beim fröhlichen Scheidungsspiel. Da reicht es, wenn man bis drei zählen kann: Jede dritte Ehe wird geschieden. Das ist angesichts der Tatsache, dass es schwierig ist, einen passenden Mann zu finden, alarmierend.
Die Chance dafür ist, wenn man in New York lebt und über dreißig ist, ungefähr ebenso hoch wie die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz erschlagen zu werden, also grob gerechnet bei 1 zu 36 Millionen. Ist man unter dreißig und lebt in Hamburg, steigt die Chance geringfügig an, aber genau betrachtet sollte man einen Kerl nicht leichtfertig zum Teufel schicken, wenn er nicht gerade polymorph pervers, ein Kleptomane oder ein notorischer Fremdgeher ist. Die Suche nach einem Neuen kann sich zeitaufwändig und kostspielig gestalten: Eine Untersuchung der Erfolgsquote von Heiratsanzeigen hat ergeben, dass man auf 100 Anzeigen antworten oder selbst zehn Anzeigen schalten muss, um auf nur einen halbwegs diskutablen Kandidaten zu treffen, vor dem man nicht schon bei der ersten Verabredung schreiend wegläuft. Bei Anzeigen, die nichts gekostet haben, ist die Erfolgsquote übrigens noch deutlich geringer.
Bevor man also den richtigen Mann findet, hat man entschieden bessere Aussichten, von einem Auto überfahren zu werden: Einer von 130 Bundesbürgern stirbt bei einem Verkehrsunfall. Das bestätigt leider den alten Spruch, das Gefährlichste am Fliegen sei die Autofahrt zum Flughafen.
Da hilft es, wenn man sich ein paar der Horrorszenarien der letzten Jahre noch mal in Erinnerung ruft und auf nüchterne Statistik reduziert. Nehmen wir BSE: Überall herrschte Riesenpanik, reihenweise wurden vegetarische Restaurants eröffnet und Kleinkinder vom Verzehr von gelatinehaltigen Gummibärchen abgehalten. Faktisch gibt es 88 BSE-Tote pro Jahr – das sind ebenso viele, wie nach dem Verzehr von Lampenöl umkommen. Wenn man den Geschmack von Lampenöl mit dem eines saftigen Steaks vergleicht, fällt die Entscheidung, woran man sterben möchte, dann auch gar nicht schwer.
Tröstlich auch, dass der von den Boulevardzeitungen vor zwei Jahren ausgemachte »Asteroid auf Kollisionskurs« während der nächsten sechshunderttausend Jahre zweihundertfünfzigtausendmal das innere Sonnensystem kreuzen kann, bevor er einmal mit unserer Erde zusammenkracht.
Wenigstens darüber muss ich mir – statistisch gesehen – also keine Sorgen mehr machen. Oder doch? Aus dieser schönen Rechnung geht nämlich leider nicht hervor, wann innerhalb der sechshunderttausend Jahre dieses eine Mal sein wird. Vielleicht doch schon morgen?
Ich will einfach nur telefonieren!
Vor kurzem habe ich meinen Mobilfunk-Anbieter
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