Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen
jugendliches T-Shirt trägt oder das seinen zu kleinen Busen unvorteilhaft ins Licht rückt.
Aaaaah! Kreisch! Wenn das wirklich ich bin, dann stürze ich mich sofort aus dem Fenster!
Aber ich glaube, ich bin es nicht. Es ist das, was der Fotograf in mir gesehen hat, in dem Moment, als er die Aufnahme gemacht hat. »Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters«, sagt man, also auch in dem des Fotografen. Ein hässliches Foto zeigt demnach nicht die Wirklichkeit, sondern das Verhältnis des Fotografen zu seinem Objekt. Wenn ich also auf Fotos unmöglich aussehe, wer ist dann schuld? Genau. Der Fotograf.
Wenn man bedenkt, dass die meisten der privaten Aufnahmen von meinem Mann gemacht werden, komme ich natürlich ins Grübeln. Wenn der mich so sieht, wie ich auf den Bildern aussehe, dann ist er leidensfähiger, als ich dachte. Oder diese Fotos sind ein subtiler Racheakt von ihm. Aber wofür? Was habe ich ihm getan, dass er mich immer gerade in dem Moment ablichtet, wo ein blödes Lachen mich entstellt, bei dem man meine schiefen Zähne sieht. Oder wo ich versuche, einen Ball zu fangen, und aussehe wie ein Känguru auf Ecstasy.
Wenn ich ihn darauf anspreche, ist er gekränkt. Das seien wunderschöne, spontane Schnappschüsse, auf denen mein wahres Wesen zu erkennen sei. Bilder der Liebe, sozusagen.
Na, vielen Dank. Warum sieht mein Mann nicht die schöne, schlanke, höchst begehrenswerte Frau, die geheimnisvoll in die Kamera lächelt wie die junge Greta Garbo, als die ich mich sehe? Oder besser, als die ich mich gerne sehen würde. Jedes Mal, wenn eine Kamera sich auf mich richtet, hoffe ich, dass die Aufnahme später die Frau zeigen wird, die ich gerne wäre. Und jedes Mal bin ich enttäuscht.
Meine Foto-Phobie begann schon im Kindesalter; auf den meisten Kinderbildern verziehe ich genervt das Gesicht oder versuche wegzulaufen. Unglücklicherweise war meine Mutter eine fanatische Hobbyfotografin und Super-8-Filmerin, meine Kindheit also eine einzige Flucht vor ihren Mamarazzi-Angriffen. Hunderte von Aufnahmen zeigen mich von hinten, aus dem Bild wischend, oder mit finsterem Lass-michbloß-in-Ruhe-Blick.
In meiner Studentenzeit wurde ich mal gefragt, ob ich einem Fotografen Modell stehen wolle. Aus therapeutischen Gründen stimmte ich zu. Auf den Bildern, die mich mit einer Frisur aus dem 19. Jahrhundert und schulterfreier Rüschenbluse zeigen, hat mich kein Mensch erkannt. Es waren die einzigen Fotos von mir, die mir jemals gefielen. Von einer Fortsetzung meiner Modell-Karriere sah ich dennoch ab, obwohl mir das lukrative Angebot eines Männermagazins vorlag, inklusive einwöchigem Karibikurlaub.
Nun arbeite ich ja heute in einem Beruf, in dem ich ziemlich häufig abgelichtet werde, was wirklich eine Qual für mich ist. Denn die Bilder, die in einem Fernsehstudio oder bei einer öffentlichen Veranstaltung entstehen, kann ich leider nicht zerreißen oder in irgendeinem Schuhkarton unter dem Bett verstecken. Die werden in Zeitungen und Magazinen abgedruckt, und Tausende von Menschen können sie sehen. Merkwürdig, dass noch keiner gemerkt hat, dass gar nicht ich es bin, die auf diesen Bildern zu sehen ist!
Die Liebe ist ein seltsames Ding
Was machen wir eigentlich unser ganzes Leben lang, außer Zähne putzen, arbeiten, ins Kino gehen und Wäsche bügeln? Genau: Wir suchen nach der Liebe. Hoffen darauf, uns zu verlieben. Wünschen uns, die einmal gefundene Liebe möge nie vergehen. Trauern einer verlorenen Liebe nach – und hoffen darauf, uns wieder zu verlieben.
Die Liebe ist eine Anarchistin. Sie kommt und geht, wann sie will, sie schert sich nicht um Erwartungen und Wünsche, sie ist unberechenbar, verletzend und hält sich an keine Regel. Sie ist nichts, worauf wir ein Anrecht hätten; sie ist ein Geschenk, das uns vom anderen überreicht wird, für das wir dankbar sein, um dessen Erhalt wir kämpfen, das wir immer aber auch verlieren können.
Viel zu oft endet die Liebe auf einem Schlachtfeld, auf dem die einstmals Liebenden sich gegenseitig verletzen und zerfleischen, mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie sich zuvor begehrt und verschlungen haben. Dass Liebe und Hass zwei Seiten derselben Medaille sind, zeigen die erbitterten Rosenkriege, die ehemalige Partner – oft über Jahre – miteinander führen. Da hetzen Frauen ihren Männern die Polizei auf den Hals, bezichtigen sie wahrheitswidrig der häuslichen Gewalt, der Kindesentführung, sogar des sexuellen Missbrauchs. Da versuchen Männer, ihre
Weitere Kostenlose Bücher