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Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen

Titel: Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es in diesem Leben nicht mehr erledigt werden wird. Also räumen wir selber die Klamotten auf, decken den Tisch, machen das Klo sauber, sammeln die nassen Handtücher ein … und, und, und.
    Noch ein Hass-Satz: »Hier draußen nur Kännchen!« Aaaargh! Dieser Satz repräsentiert die spießige, miefige, deutsche Gastronomie, für die wir uns vor unseren Freunden aus dem Ausland schämen. Und das zu Recht.
    Aber es gibt noch mehr: »Ist leider aus!« Da haben wir endlich genau die Jeans oder den Pulli oder die Schuhe gefunden, nach denen wir schon monatelang gefahndet haben, und dann gibt es sie natürlich nicht mehr in der Größe, die wir brauchen. Zum Heulen.
    Die Steigerung davon heißt: »Das ist nicht mehr auf dem Markt!« Seit Ewigkeiten verwenden wir diese ganz bestimmte, wunderbare Nachtcreme, und eines Tages wollen wir ein Döschen kaufen und kriegen diesen Satz um die Ohren gehauen, worauf wir in Schwermut verfallen angesichts der Vergänglichkeit aller Dinge, die uns die eigene Vergänglichkeit unschön vor Augen führt. Schluchz! Auch wir müssen eines Tages sterben! Und was schmieren wir uns bis dahin ins Gesicht?
    Mein persönlicher Hass-Favorit: »Das geht nicht.« Bei keinem anderen Satz kriege ich eine derartige Wut und gleich darauf die unbezähmbare Lust, meinem Gegenüber zu beweisen, dass es nicht stimmt. Geht nicht gibt’s nicht! Oder sollte es jedenfalls nicht geben. Ein Versuch, diesen Satz zu widerlegen, lohnt immer!

Überall ist es besser, wo wir nicht sind
    Man kann es gut an kleinen Kindern beobachten: Immer ist das Spielzeug, das der andere hat, das interessantere. Da wird gezerrt und gestritten, bis Puppe oder Bagger den Besitzer gewechselt haben – und wenig später liegt das gerade noch so heiß begehrte Ding unbeachtet in der Ecke. Die meisten Kinder erklären ihren Eltern eines Tages, sie würden viel lieber bei einer anderen Familie leben, zum Beispiel bei den Eltern von Robert oder der Mutter von Alina, die seien viel großzügiger und netter und würden außerdem viel besser kochen.
    Bei mir ging die Vorstellung, anderswo müsse es besser sein, sogar so weit, dass ich meinen Eltern unterstellte, sie hätten mich adoptiert und würden mir nun den Namen meiner wahren Erzeuger vorenthalten, die natürlich viel reicher, liebevoller und interessanter wären. Ich glaube, einmal habe ich ihnen sogar vorgeschlagen, mich doch wieder zur Adoption freizugeben – offenbar erschien mir jede noch so unberechenbare Veränderung besser als das, was ich hatte.
    So versuche ich heute, es nicht persönlich zu nehmen, wenn mein Sohn mir erklärt, mit spätestens sechzehn werde er ausziehen und später mal eine Frau heiraten, die nicht arbeiten, sondern sich ausschließlich um sein Wohlergehen kümmern würde. Mal abgesehen davon, dass meine Erziehungsbemühungen offenbar auf ganzer Linie fehlgeschlagen sind, muss ich bei genauerem Nachdenken einräumen, dass wir Erwachsenen auch nicht viel anders sind.
    Immer glauben wir insgeheim, es gäbe ein anderes, besseres, interessanteres Leben als unseres. Neidisch beäugen wir unsere Mitmenschen daraufhin, ob sie nicht den spannenderen Job, den tolleren Mann, die wohler geratenen Kinder haben, und das, obwohl sie doch schon mit einer besseren Figur, attraktiverem Aussehen und einem individuelleren Geschmack gesegnet sind.
    Solange wir Single sind, erscheint uns nichts erstrebenswerter als eine Partnerschaft. Sind wir endlich zu zweit, wollen wir unbedingt zu dritt oder zu viert sein, und wenn wir dann Mann, Kinder, Hund und Katze haben, plagen uns nicht selten die heftigsten Fluchtphantasien, und wir wünschen uns reumütig zurück in unser Single-Leben. Wohnen wir in der Stadt, träumen wir von einem idyllischen Häuschen im Grünen, hocken wir auf dem Dorf, zieht es uns in die lebendige Großstadt mit all ihren Angeboten.
    Und haben wir’s dann mit unserer ständigen Unzufriedenheit endlich geschafft, unseren Mann zu vergraulen, wünschen wir uns nichts sehnlicher, als dass alles so bliebe, wie es ist: langweilige Fernsehabende (waren immer so kuschelig!), Streit um die Hausarbeit (wir haben uns wenigstens auseinander gesetzt!), Sex ohne Überraschungen (da wusste man, was man hatte!), jedes Jahr Urlaub im gleichen Hotel (die waren immer so nett da!), den ganzen nervenden Ehe-Alltag eben, der uns jetzt so vertraut und anheimelnd erscheint, dass wir nicht mehr begreifen, warum wir ihn

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