Ohne Beweis (German Edition)
früher Schluss machen würde. Aber dass ich von so einer heißen Braut abgeholt werde, hatte ich ihnen nicht gesagt. Wie alt sie wohl war? Sie hatte zwar graue Haare, aber ihr Gesicht war noch fast faltenfrei – nur ein paar Lachfältchen um die Augen. Sie hatte einen dunklen Teint und eine wirklich sehr sportliche Figur mit ziemlich muskulösen Armen. Die konnte bestimmt gut zupacken.
„Wollen wir gehen, Herr Rodzinsky?“, fragte Carmen und deutete mit dem Kopf weg vom Rathausbau. „Hier geht es raus aus dem Ort und dann können wir über die Jackenhöfe hinüber zum Buchs laufen“, erklärte sie und ich verstand so gut wie gar nichts. Aber das war ja auch egal, sie wusste, wo es hingehen sollte und nur das war für mich wichtig. In diesem Moment wäre ich ihr überall hin gefolgt. Nur weg von der Arbeit und den ganzen drückenden Gedanken, die mich hierher geführt hatten.
In stillem Einvernehmen wanderten wir aus dem Ort hinaus. Auf der linken Seite kamen wir an einem Industriegebiet vorbei und gegenüber lag eine große Obstbaum-Wiese. Welch ein schöner Kontrast. Weiter vorne sah ich nach der Kurve eine große Weide mit bunten Flecken darauf. Erst beim Näherkommen erkannte ich, dass es Tiere mit langen Hälsen und dichtem Fell waren.
„Was sind das?“, fragte ich neugierig, denn solche Tiere hatte ich noch nie gesehen. Irgendwie sahen sie wie Lamas aus, nur wesentlich kleiner.
„Das sind Alpakas. Die werden sicher bald geschoren. Ihr Fell wächst ständig nach und man muss es immer wieder abschneiden. Verstehen Sie das?“, hakte Carmen nach, denn sie redete meistens einfach drauf los und ich hatte dann Mühe, den Sinn der Worte einigermaßen zu verstehen.
„Ja, ich verstehen. Tiere geben Wolle?“
„Ja, sehr weiche Wolle. Kommen Sie, wir gehen mal ein bisschen näher ran“, sagte Carmen und schnappte meine Hand. Ich zuckte sofort zusammen, denn so intime Berührungen konnte ich nur schwer ertragen. Sie musste das gespürt haben, denn sofort ließ sie mich mit einem entschuldigenden Blick wieder los.
„Man kann sie leider nicht streicheln, dazu sind sie zu scheu. Aber sehen sie sich nur mal diese wunderschönen großen Augen und die langen Wimpern an“, rief meine Begleiterin schwärmerisch und obwohl ich kaum ein Wort verstand, wusste ich doch, wovon sie sprach. Diese Tiere hatten wirklich ein wunderhübsches Gesicht! Beinahe hätte ich Carmen gesagt, dass auch sie wundervolle Rehaugen hatte.
Während die Sonne in herrlichen orange-violetten Farben hinter diesem tollen Berg, der wie ein Vulkan aussah, unterging, marschierten wir weiter durch eine Hofstelle über die Felder hinüber zu einem Sportplatz. Inzwischen war es merklich kühler geworden und Carmen hatte sich ihre Strickjacke angezogen. Obwohl ich nur ein T-Shirt anhatte, war es mir immer noch viel zu warm – vor allem in ihrer Nähe!
„Wir sind gleich da, Herr Rodzinsky“, sagte sie plötzlich und deutete auf ein großes rotes Gebäude mit hohem Holzanbau. Gewagte Farbe, dachte ich bei mir, doch irgendwie sah es doch gut aus.
„Das ist die Gemeinde- und Sporthalle ,Im Buchs`, doch wir Ottenbacher sagen einfach nur: Wir gehen in den Buchs, verstehen Sie das?“
„Ja. Buchs ist die Name für die Halle, richtig?“
„Genau und gleich nebenan ist die Vereinsgaststätte und die trägt den Namen, Landgasthof im Buchs`“, erklärte Carmen, während wir um den sehr gepflegten Rasenplatz herum hinunter zum Parkplatz gingen. Alles war so sauber, aufgeräumt und gepflegt und ich musste sofort an meine Heimat denken – dort sah es fast nirgends so aus wie hier, außer in den Neubaugebieten vielleicht.
In der Gaststätte war um diese Zeit erstaunlich viel los und auf meine Nachfrage hin erklärte meine Begleiterin, dass einige Sportgruppen nach dem Training noch hier zusammensaßen und dass es einige Kartenspielrunden geben würde. Hier konnte man gemütlich beisammen sitzen, das Essen war sehr gut und die Preise annehmbar. Was wollte man mehr? Für diesen kleinen Ort war die Gaststätte sicher sehr wichtig und als hätte sie meine Gedanken gelesen, sagte Carmen, wobei sie auf eine ältere Dame deutete.
„Das ist die Wirtin und wir hoffen alle, dass sie die Gaststätte noch eine Weile führen wird. Einen neuen Pächter zu finden, wird sicher nicht einfach werden.“
Ich hatte den Sinn ihrer Worte ungefähr verstehen können und so plauderten wir, das heißt, sie plauderte noch ein
Weitere Kostenlose Bücher