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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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viel von einer alten Plaudertasche.«
    Als ich das Gespräch beendet hatte, bemerkte ich, dass der Akku fast leer war. Zudem waren wir derart überstürzt aufgebrochen, dass ich nicht an das Ladegerät gedacht hatte.
    Ich steckte das Handy ein und konzentrierte mich wieder auf Clayton. »Wieso glauben Sie, dass Cynthia und Grace in Gefahr sind? Wie kommen Sie darauf, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte?«
    »Wegen des Testaments«, sagte er. »Ich habe Cynthia als Alleinerbin meines gesamten Vermögens eingesetzt. Ich weiß, dass ich dadurch nicht wiedergutmachen kann, was geschehen ist. Aber irgendetwas musste ich doch tun.«
    »Aber was hat das damit zu tun, ob sie noch lebt?«, fragte ich, auch wenn mir im selben Augenblick zu dämmern begann, weshalb Cynthia in höchster Gefahr schwebte. Langsam begann sich das Puzzle zusammenzusetzen.
    »Wenn Cynthia und Ihre Tochter sterben, geht das Geld automatisch an Enid. Dann ist sie die nächsteHinterbliebene und Erbin«, flüsterte er. »Und Enid wird niemals zulassen, dass Cynthia alles erbt. Sie wird beide töten, um an das Geld zu kommen.«
    »Das wäre doch purer Irrsinn«, sagte ich. »Ein Doppelmord würde nur Aufmerksamkeit erregen. Die Polizei würde den Fall von damals wieder aufrollen und Enid vielleicht schneller auf die Spur kommen, als …«
    Ich hielt inne.
    Ja, ein Mord würde Aufmerksamkeit erregen. Daran bestand kein Zweifel.
    Aber ein Selbstmord würde weit weniger Wellen schlagen. Insbesondere nicht der Selbstmord einer Frau, die seit Wochen unter extremer nervlicher Anspannung gestanden hatte, einer Frau, die in einer Fernsehshow von dem Grauen berichtet hatte, das vor fünfundzwanzig Jahren über ihr Leben hereingebrochen war, einer Frau, die wegen eines seltsamen Huts die Polizei eingeschaltet hatte. Und zu alldem kam der anonyme Brief, der auf die Spur ihrer vermissten Mutter und ihres vermissten Bruders geführt hatte – ein Brief, der nachweislich auf einer Schreibmaschine in unserem Haus geschrieben worden war.
    Wenn eine solche Frau Selbstmord beging, musste man über das Motiv nicht lange grübeln. Es ging um Schuld. Eine Schuld, die sie zu lange mit sich herumgetragen hatte. Wie sonst ließ sich erklären, dass sie die Polizei mit der »anonymen« Nachricht zu dem See gelotst hatte? Wer außer ihr hätte einen Brief schreiben können, um das furchtbare Geheimnis zu lüften?
    Wenn eine Frau, die so enorme Schuld auf sich geladen hatte, Selbstmord beging und dabei ihre Tochtermit in den Tod nahm – wen würde das schon großartig wundern?
    War das Enids Plan?
    »Was ist los?«, fragte Clayton. »Worüber denken Sie nach?«
    Was, wenn Jeremy nach Milford gekommen war, um uns im Auge zu behalten? Was, wenn er uns wochenlang hinterherspioniert, uns Tag und Nacht beobachtet hatte? War er es gewesen, der in unser Haus eingedrungen war und den Ersatzschlüssel an sich genommen hatte? Und diesen – ich erinnerte mich, wie ich den Schlüssel während eines von Abagnalls Besuchen wiedergefunden hatte – irgendwann in der Besteckschublade platziert hatte, um uns glauben zu machen, wir hätten ihn nur verlegt? Gut möglich, dass er den Hut in unserer Küche deponiert, unsere E-Mail-Adresse erschnüffelt und den Brief geschrieben hatte, der zu den Leichen von Cynthias Mutter und ihrem Bruder geführt hatte …
    All das hätte er problemlos erledigen können, bevor wir schließlich die Schlösser ausgewechselt hatten.
    Ich schüttelte den Kopf. Alles passte zusammen, auch wenn es ebenso unglaublich wie teuflisch erscheinen mochte.
    Hatte Jeremy alles vorbereitet? War er nun nach Youngstown zurückgekehrt, um mit seiner Mutter zusammen nach Milford zu fahren und alles zu Ende zu bringen?
    »Sie müssen reinen Tisch machen«, sagte ich zu Clayton. »Was ist damals passiert? Was ist in jener Nacht geschehen?«
    »Das konnte ich nicht ahnen«, sagte er, mehr zusich selbst als zu mir. »Ich … ich wollte Cynthia doch schützen. Deshalb habe ich auch nie Kontakt zu ihr aufgenommen. Um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Ich habe sogar für den Fall vorgesorgt, dass Enid alles herausbekommt … Mit einem Brief in einem versiegelten Umschlag, der nach meinem Tod geöffnet werden sollte. In dem die Wahrheit steht. Ich wollte, dass Enid zur Rechenschaft gezogen wird …«
    »Clayton, hören Sie mir zu. Wenn ich alles richtig verstanden habe, schweben Cynthia und Grace in höchster Gefahr. Sie müssen mir helfen, solange Sie dazu noch in der Lage

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