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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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sind.«
    Er sah mich an. »Sie gefallen mir. Ich bin froh, dass Cynthia jemanden wie Sie gefunden hat.«
    »Sie müssen mir sagen, was damals passiert ist.«
    Er holte tief Luft, als müsse er alle Kraft zusammennehmen. »Es bringt nichts, mich noch länger von ihr fernzuhalten«, sagte er. »Dadurch ist sie jetzt auch nicht mehr sicher.« Er schluckte. »Bringen Sie mich zu ihr. Bringen Sie mich zu meiner Tochter. Damit ich mich von ihr verabschieden kann. Bringen Sie mich zu ihr, und ich erzähle Ihnen alles.«
    »Ich kann Sie hier nicht rausbringen«, sagte ich. »Sie hängen am Tropf. Wenn ich Sie mitnehme, sterben Sie.«
    »Ich sterbe so oder so«, sagte Clayton. »Holen Sie mir meine Sachen. Sie sind in dem Schrank da drüben.«
    Ich erhob mich, hielt dann aber inne. »Die werden Sie hier sowieso niemals rauslassen.«
    Clayton ergriff meinen Arm; fest schlossen sich seine Finger um mein Handgelenk. »Sie ist eine Bestie«, sagteer. »Sie wird bis zum Äußersten gehen, um ihr Ziel zu erreichen. Jahrelang habe ich in Angst vor ihr gelebt, vor ihrer Heimtücke und Unberechenbarkeit. Aber was habe ich jetzt noch zu fürchten? Meine Zeit ist sowieso abgelaufen. Und Enid ist alles zuzutrauen. Absolut alles.«
    »Augenblicklich wohl kaum«, sagte ich. »Vince hat ein Auge auf sie.«
    Clayton blinzelte. »Sie waren an der Tür? Und haben geklopft?«
    Ich nickte.
    »Und sie ist an die Tür gekommen?«
    »Ja.«
    »Wirkte sie irgendwie ängstlich?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nicht.«
    »Zwei erwachsene Männer, die nachts vor ihrer Haustür stehen, und sie hat kein bisschen Angst? Ist Ihnen das nicht komisch vorgekommen?«
    »Na ja, jetzt, wo Sie’s sagen.« Ich zuckte erneut mit den Schultern. »Ein bisschen vielleicht.«
    »Unter die Wolldecke über ihren Knien haben Sie bestimmt nicht geschaut«, sagte er. »Oder?«

ZWEIUNDVIERZIG
    Ich griff nach meinem Handy und wählte Vince’ Nummer. »Los, geh schon dran«, zischte ich, während leise Panik in mir aufstieg. Cynthia war nach wie vor unauffindbar, und nun machte ich mir auch noch ernste Sorgen um Vince – einen Mann, den ich keine vierundzwanzig Stunden zuvor noch für einen üblen Kriminellen gehalten hatte.
    »Und?« Clayton setzte sich auf.
    »Ich erreiche ihn nicht«, sagte ich. Nach dem sechsten Klingeln schaltete sich die Mobilbox ein. Ich machte mir nicht die Mühe, eine Nachricht zu hinterlassen. »Ich muss sofort zurück.«
    »Moment«, sagte er und schwang die Beine über die Bettkante.
    Ich ging zum Schrank. Dort hingen eine Hose, ein Hemd und eine leichte Jacke. »Soll ich Ihnen helfen?«, fragte ich, während ich die Sachen aufs Bett legte.
    »Alles okay«, sagte er. Er schien außer Atem und rang nach Luft. Dann deutete er auf den Schrank. »Sind da auch Socken und Unterwäsche?«
    Als ich im Schrank nichts fand, sah ich im Nachttisch nach. »Hier«, sagte ich und reichte ihm die Sachen.
    Er stand auf und zog sich die Kanüle aus dem Arm.
    »Wollen Sie wirklich mitkommen?«, fragte ich.
    Er lächelte schwach und nickte. »Ich will Cynthia sehen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.«
    »Was ist denn hier los?«, unterbrach uns eine Stimme. Wir wandten uns zur Tür. Dort stand eine Krankenschwester, eine schlanke Schwarze, Mitte vierzig, die uns verblüfft ansah.
    »Was machen Sie denn da, Mr Sloan?«
    Er hatte gerade seine Pyjamahose ausgezogen. Seine Beine waren weiß und spindeldürr, seine Genitalien völlig verschrumpelt.
    »Ich ziehe mich an«, sagte er. »Oder was glauben Sie?«
    Sie sah mich an. »Wer sind Sie?«
    »Sein Schwiegersohn«, sagte ich.
    »Ich habe Sie hier noch nie gesehen«, sagte sie. »Jetzt ist keine Besuchszeit, das ist Ihnen doch wohl hoffentlich klar.«
    »Ich bin vorhin erst angekommen«, sagte ich. »Wir hatten etwas Dringendes zu besprechen.«
    »Verlassen Sie bitte sofort das Zimmer«, sagte sie. »Und Sie gehen auf der Stelle wieder ins Bett, Mr Sloan.« Sie stand nun am Fußende des Betts und sah, dass er den Infusionsschlauch entfernt hatte. »Um Himmels willen«, rief sie. »Was haben Sie vor?«
    »Ich fahre nach Hause.« Clayton hielt sich an mir fest, während er die weißen Boxershorts überzog, die ich ihm gegeben hatte.
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte die Schwester. »Ob Sie nach Hause können oder nicht, muss Ihr Arzt entscheiden. Soll ich ihn etwa um diese Zeit anrufen?«
    »Tun Sie, was Sie für richtig halten«, gab er zurück.
    »Ich rufe den Wachdienst«, sagte

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