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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Sie sich diesen Eindruck?«
    So leicht ließ sich Cynthia nicht aus der Reserve locken; sie wusste genau, worauf die Therapeutin hinauswollte. »Sie meinen, meine Ängste färben auf Grace ab?«
    Dr. Kinzlers Schultern hoben sich einen halbenZentimeter. Ein konservatives Achselzucken. »Was glauben Sie?«
    »Ich versuche, sie meine Ängste nicht spüren zu lassen«, sagte Cynthia. »Außerdem tun wir alles, um sie nicht mit meiner Vergangenheit zu belasten.«
    Ich räusperte mich.
    »Ja?«, sagte Dr. Kinzler.
    »Grace weiß Bescheid«, sagte ich. »Sie kriegt viel mehr mit, als wir glauben. Sie hat die Deadline -Folge gesehen.«
    »Was?«, platzte Cynthia heraus.
    »Bei einer Freundin.«
    »Welcher Freundin?«, wollte Cynthia wissen. »Sag mir sofort den Namen.«
    »Weiß ich nicht. Und es wäre sinnlos, es aus ihr herausprügeln zu wollen.« Ich warf Dr. Kinzler einen Blick zu. »Rein bildlich gesprochen.«
    Dr. Kinzler nickte.
    Cynthia biss sich auf die Unterlippe. »Sie ist noch zu klein. Sie kann das doch gar nicht verarbeiten. Wir müssen sie davor schützen.«
    »Man kann Kinder nicht vor allem schützen«, sagte Dr. Kinzler. »Aber das wollen viele Eltern nicht akzeptieren.«
    Cynthia dachte einen Moment darüber nach.
    »Ich habe heute Morgen einen anonymen Anruf erhalten«, sagte sie dann. Sie erzählte der Therapeutin fast wortwörtlich, was der Anrufer gesagt hatte. Dr. Kinzler stellte in etwa dieselben Fragen wie ich. Ob ihr die Stimme bekannt vorgekommen sei, ob er schon einmal angerufen habe und so weiter.
    »Was, glauben Sie, hat der Anrufer damit gemeint, dass Ihre Familie Ihnen verzeihen würde?«
    »Überhaupt nichts«, sagte ich. »Das war bloß ein Spinner.«
    Dr. Kinzler bedeutete mir mit einem Blick zu schweigen.
    »Darüber zerbreche ich mir schon den ganzen Tag den Kopf«, sagte Cynthia. »Was wollen sie mir denn verzeihen? Dass es mir nicht gelungen ist, sie ausfindig zu machen? Dass ich nicht mehr unternommen habe, um sie aufzuspüren?«
    »Das wäre wohl ein bisschen viel erwartet«, sagte Dr. Kinzler. »Schließlich waren Sie noch ein Kind. Ein Teenager. Gerade mal vierzehn Jahre alt.«
    »Ich frage mich andauernd, ob ich irgendwie an ihrem Verschwinden schuld war. Aber was soll ich getan haben? Was war so schlimm, dass sie mich bei Nacht und Nebel allein zurückgelassen haben?«
    »Glauben Sie, dass es Ihre Schuld war?«, fragte Dr. Kinzler. »Fühlen Sie sich verantwortlich für das spurlose Verschwinden Ihrer Familie?«
    »Einen Moment«, unterbrach ich, ehe Cynthia etwas erwidern konnte. »Es war ein anonymer Anruf. Alle möglichen Leute haben Cynthia im Fernsehen gesehen, und dass sich irgendwelche Verrückten melden, ist ja wohl alles andere als außergewöhnlich, oder? Ich verstehe jedenfalls nicht, wieso wir das hier groß thematisieren müssen.«
    Dr. Kinzler gab einen leisen Seufzer von sich. »Terry, vielleicht wäre es besser, wenn Cynthia und ich allein miteinander sprechen.«
    »Nein, nein, schon gut«, sagte Cynthia. »Er kann ruhig hierbleiben.«
    »Terry.« Dr. Kinzlers übertrieben geduldigem Tonfall war genau anzuhören, dass sie mich am liebsten auf den Mond geschossen hätte. »Sicher, es könnte ein Verrückter gewesen sein, aber der Anruf hat bestimmte Gefühle in Ihrer Frau ausgelöst, und indem wir Cynthias Reaktion auf ebendiese Gefühle analysieren, haben wir eine größere Chance, Fortschritte zu erzielen.«
    »Können Sie diese Fortschritte mal genauer definieren?«, fragte ich. Ich wollte mich nicht mit ihr streiten. Ich wollte lediglich erfahren, wovon sie redete. »Ich will hier wirklich nicht den Quertreiber spielen, aber momentan ist mir nicht ganz klar, worauf Sie überhaupt hinauswollen.«
    »Wir versuchen Cynthia zu helfen, ein traumatisches Ereignis aus ihrer Kindheit aufzuarbeiten, das bis heute nachwirkt. Außerdem geht es bei dieser Therapie nicht nur um Ihre Frau, sondern auch um die Beziehung, die Sie mit ihr führen.«
    »Unsere Beziehung ist völlig intakt«, sagte ich.
    »Manchmal glaubt er mir nicht«, platzte Cynthia heraus.
    »Was?«
    »Manchmal glaubst du mir nicht«, wiederholte sie.
    »Das merke ich doch ganz genau. Die Sache mit dem braunen Wagen hast du auch nicht ernst genommen. Du glaubst, da ist nichts dran. Und weil ich aus Versehen das Anruferprotokoll gelöscht habe, hast du doch gedacht, ich hätte den Anruf erfunden.«
    »Das habe ich nie gesagt«, erwiderte ich. Ich sah Dr. Kinzler an, als müsse ich vor Gericht meine Unschuld

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