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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Schoß gehalten und gegrinst, als wäre es gar kein Messer, sondern etwas ganz anderes. Dann hatte Cynthia das Messer ausprobiert, es durch die Luft geschwungen und gekichert.
    »Hey, Vorsicht«, hatte Vince gesagt.
    Clayton Bigge marschierte schnurstracks zur Beifahrertür und öffnete sie. Die Tür quietschte in den rostigen Angeln.
    »Hey, Meister, keine Panik«, sagte Vince, der mittlerweile zwar kein Messer mehr in der Hand hielt, dafür aber eine Bierflasche, was fast genauso schlimm war.
    »Quatsch mich bloß nicht blöd an«, sagte Clayton Bigge, fasste seine Tochter am Arm und zerrte sie mit sich zu seinem Dodge. »O Gott, du stinkst ja wie eine ganze Kneipe«, sagte er.
    Cynthia wäre am liebsten auf der Stelle gestorben.
    Sie sah ihren Vater nicht an und sagte kein Wort, auch dann nicht, als er sie anherrschte, mit ihr hätte man bloß noch Ärger, sie solle endlich zur Besinnung kommen, sonst würde sie ihr ganzes Leben verpfuschen, was er denn falsch gemacht hätte, er habe doch nur gewollt, dass sie glücklich sei, bla, bla, bla, und obwohl er stinksauer war, fuhr er immer noch, als hätte er gerade erst denFührerschein gemacht, hielt sich stur an die Geschwindigkeitsbegrenzung und schaltete beim Abbiegen jedes Mal den Blinker an – es war schlicht nicht zu fassen.
    Als sie in die Einfahrt einbogen, war sie schon ausgestiegen, bevor er den Wagen zum Stillstand gebracht hatte. Sie stieß die Haustür auf und stürmte ins Haus, vorbei an ihrer Mutter, die weniger aufgebracht als besorgt wirkte.
    »Cynthia!«, sagte sie. »Wo warst du …«
    Sie ließ ihre Mutter einfach stehen und stürzte die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Von unten rief ihr Vater: »Komm sofort wieder runter! Wir müssen miteinander reden!«
    »Ich wollte, ihr wärt tot!«, schrie sie und knallte die Tür zu.
    Daran entsann sie sich nun wieder ganz deutlich. An den Rest des Abends konnte sie sich allerdings nach wie vor nur verschwommen erinnern.
    Sie erinnerte sich, wie sie sich auf ihr Bett gesetzt hatte, dass ihr ziemlich schwindlig gewesen war. Sie war zu müde, um sich zu schämen. Dann beschloss sie, sich hinzulegen und ihren Rausch auszuschlafen; bis sie wieder aufstehen musste, waren ja immerhin noch fast zehn Stunden Zeit.
    Zehn Stunden, in denen alles Mögliche passieren konnte.
    Sie meinte sich zu erinnern, dass sie im Halbschlaf jemanden an der Tür gehört hatte. Ein Geräusch, als ob jemand vor der Tür verharren würde.
    Später hatte sie das Geräusch noch einmal gehört. Glaubte sie jedenfalls.
    War sie aufgestanden, um nachzusehen? Hatte sie überhaupt aufzustehen versucht? Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern.
    Inzwischen war sie fast vor der Schule angekommen.
    Und nun meldete sich auch noch ihr schlechtes Gewissen. An einem einzigen Abend hatte sie gegen sämtliche Spielregeln verstoßen. Sie war zu spät nach Hause gekommen. Hatte ihre Eltern angelogen. Mit einem Jungen herumgeknutscht. Einem Siebzehnjährigen! Der letztes Jahr ein paar Schulfenster eingeworfen und eine Spritztour mit dem Wagen des Nachbarn unternommen haben sollte.
    Außerdem waren ihre Eltern gar nicht so schlimm. Meistens jedenfalls. Vor allem ihre Mom. Und ihr Dad, na ja, eigentlich war er ja ganz passabel, wenn er nicht gerade hinter ihr herspionierte.
    Vielleicht hatte ihre Mutter Todd zur Schule gefahren. Wenn er Training hatte und unter Zeitdruck stand, brachte sie ihn manchmal zur Schule und ging anschließend in den Supermarkt. Ab und an trank sie auch einen Kaffee im Howard Johnson’s.
    In der ersten Stunde – Geschichte – bekam sie so gut wie nichts mit, und in Mathe konnte sie sich erst recht nicht konzentrieren. Sie hatte immer noch Kopfschmerzen. Als der Mathematiklehrer sie fragte, ob sie alles verstanden hätte, sah sie nicht mal auf.
    Während der Mittagspause verließ sie die Cafeteria und rief von einem Münztelefon zu Hause an, um sich bei ihrer Mutter zu entschuldigen und ihr zu sagen, wie leid ihr alles tat. Außerdem wollte sie nach Hause, denn ihr war hundeelend. Ihre Mutter würde sich umsie kümmern und ihr eine Suppe kochen. Sie konnte nie lange böse bleiben.
    Nachdem es fünfzehnmal geläutet hatte, gab Cynthia auf, dachte dann aber, sie hätte sich vielleicht verwählt. Doch auch beim nächsten Versuch ging niemand ans Telefon. Die Firmennummer ihres Vaters wusste sie nicht auswendig. Außerdem war er so oft auf Geschäftsreise, dass er meist nur von unterwegs dort anrief.
    Sie hing mit ein paar

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