Ohne Ende Leben - Roman
der Unterwelt enden, wo grinsende Kinderroboter mit Strohhüten immerzu auf Portugiesisch sangen. Ich musste das unbedingtverhindern! Und dann – Oh, Happy Day! Die Rettung. Direkt hinter dem Iglu der Eskimos (das war, bevor Eskimos politisch korrekt
Inuit
genannt wurden), direkt hinter dem Iglu sah ich diese kleine Tür.
»Mommy, was is’n da hinter der Tür?«, fragte ich.
»Ich weiß es nicht, mein Schatz.«
Wir steuerten auf dem Fluss Styx dem sicheren Tod entgegen. Aber irgendwie wusste ich: Wenn ich nur an diese kleine Tür käme, dann würde alles gut werden. Ich könnte die Fahrt beenden und uns retten. Ich stand auf und platschte in das faulig müffelnde Wasser, weg von der rehäugigen Mädchenpuppe im Kittelschürzchen, die
»En värld full av skratt, en värld av tärar«
sang (schwedisch, wie gesagt, für »Eine Welt voller Lachen, eine Welt voller Tränen«).
Mein Problem: Ich konnte nicht schwimmen. Aber offensichtlich konnte ich ganz gut sinken. Du weißt, dass Kids selbst in seichtem Wasser ertrinken können? Stimmt, wenn das Kind die Panik kriegt und vergisst, den Mund zu schließen. Du kannst dir vorstellen, wie überrascht ich war, als das Wasser in meine Lungen drang.
Das Letzte, an das ich mich erinnere, bevor ich ohnmächtig wurde, war, dass meine Mom »Anhalten! Anhalten!« brüllte. Und während sie schrie, drückte sie Jenna an ihre Brust, für den Fall, dass die auch ins Wasser springen wollte. Die Lichter und Geräusche über mir vermischten sich zu Zerrbildern und alles hörte sich so gedämpft an wie weit entfernter Jahrmarktslärm. Und dann kam mir der merkwürdigste Gedanke:
Die haben angehalten! Ich hab sie dazu gebracht, anzuhalten!
An vieles, was danach kam, erinnere ich mich nicht mehr. Da sind nur Gedankenfetzen, die mit Erinnerungen anderer Leute aufgefüllt wurden. Man erzählt sich, dassmein Dad ins Wasser tauchte und mich rauszog, mich direkt neben das Iglu legte und mich Mund-zu-Mund beatmete. Offizielle Disneyparkleute flitzten am schmalen Ufer von Eskimo-bald-Inuit-Land hin und her und quasselten in einem fort in ihre Walkie-Talkies, sie hätten die Situation unter Kontrolle.
Die aufgeregten Gaffer schossen Fotos. Dann kam die Disney-Ambulanz und verfrachtete mich auf eine Notfallstation, wo mir ausgesprochen kotzübel wurde. Sonst war ich okay. Dann gingen wir zurück in den Park und mussten nichts zahlen. Ich denke mal, sie befürchteten, wir würden sie verklagen. Und ich durfte – ohne mich in die Warteschlangen einreihen zu müssen – so viele Fahrten machen, wie ich wollte, weil jeder froh war, dass ich noch lebte. Es waren die besten Ferien, die wir zusammen hatten. Klar, ich glaube, es waren auch unsere letzten gemeinsamen Ferien.
Es war Mom, die mich später mit ihren Fragen löcherte, als Jenna eingeschlafen war und Dad seine Nerven mit Wodka Tonic beruhigte – eine Aufmerksamkeit der Minibar unseres Hotels. Ich saß in der Badewanne, mit einer rutschfesten Blümchenmustermatte unterm Po. Zwei Kopfwäschen waren nötig, um das ganze Strandgut einer kleinen Welt aus meinem Haar zu spülen.
»Cameron«, begann sie und setzte mich auf ihren Schoß, um mich kräftig trocken zu rubbeln. »Warum bist du ins Wasser gesprungen, mein Schatz? Hast du dich vor irgendetwas gefürchtet?« Ich wusste nicht, was ich ihr antworten sollte, also nickte ich einfach.
»Ach, mein Schatz, du weißt doch, dass das alles nicht echt ist, oder? Es ist nur gespielt.«
»Nur gespielt«, wiederholte ich und spürte, wie die Worte in mich eindrangen.
Die Sache ist nämlich die, dass mir, bevor sie mich aus dem Wasser zogen, alles so zauberhaft erschien, so magisch. Als ob ich an diesen verrückten Traum wirklich geglaubt habe. Aber in dem Moment, als ich auf dem harten, glitschigen, mit Farbe besprühten Kunstschneeboden landete und sah, dass eine Marionette immer und immer wieder denselben Plastikfisch aus dem Eisloch zog, erkannte ich, dass das alles ein großer Schwindel war. Das Wirklichste, das ich jemals erlebt habe, war der Augenblick unter Wasser, als ich fast gestorben wäre.
Und in gewisser Weise sterbe ich seit diesem Tag.
KAPITEL ZWEI
In dem die Grausamkeiten des Highschoollebens aufgezählt werden und mir die Kiffertypen von der Jungstoilette im dritten Stock miesen Stoff anbieten und eine Lehrstunde in Physik
»Wer zum Teufel ist Don Quick-Shot?« Das ist es, was Chet King wissen will.
Wir schreiben Anfang Februar und wir befinden uns im
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