Ohne jede Spur
Stich versetzte, einen weiteren Schmerz, der ihn die nächsten Tage und Nächte begleiten würde.
«Ich hab’s mir eingebildet», sagte sie schließlich. «Aber dann fiel mir ein, dass ich mit Jason Jones verheiratet bin. Mir scheint, wir beide sind ganz gut darin, ausgerechnet das zu wollen, was wir nicht haben können.»
Er zwang sich, ihre Worte mit einem Kopfnicken zu bestätigen. Jetzt kam die Quittung dafür, dass er seine Ehe mit einer Lüge begonnen hatte. Konnte er es ihr verübeln, dass sie sie nun mit einer Lüge beendete?
Er zog seine Hände zurück, straffte die Schultern und machte sich auf den nächsten Schlag gefasst. «Du bist gekommen,um Ree zu holen», sagte er. «Damit dein Vater sie nicht haben kann.»
Sandra schüttelte den Kopf. Sie hob die Hand und wischte ihm die Tränen von der Wange.
«Nein, Jason. Du hast immer noch nicht verstanden. Ich bin zu euch beiden zurückgekehrt. Ich liebe dich, Joshua Ferris.»
Mit heulender Sirene und zuckendem Blaulicht ließ D. D. Roxbury in Rekordzeit hinter sich zurück. Über Funk schickte sie Kollegen zum Haus der Hastings’, um Ethan in Polizeigewahrsam zu nehmen.
Sofort.
Außerdem bestellte sie zwei Detectives ihrer Abteilung ins kriminaltechnische Labor der Landespolizei ein, auch wenn sich die Kollegen dort darüber ärgern sollten. Wayne Reynolds war zwar deren Mann, aber er war eben auch Zeuge in ihrem Fall gewesen und hatte etwas über Sandra Jones gewusst, das ihm nun aller Wahrscheinlichkeit nach zum Verhängnis geworden war.
Darüber hinaus sollten sich zwei Kollegen in der Redaktion der
Boston Daily
bereithalten und auf weitere Instruktionen warten.
Schließlich hatte D. D. auch noch Anweisungen für die beiden Wachposten vor dem Haus der Jones. Sobald Jason Jones auch nur einen Fuß vor die Tür setzte, sollte er festgenommen werden. Wegen Stadtstreicherei, Falschparkens oder sonst was. Egal. Er durfte auf keinen Fall sein Haus verlassen, es sei denn in Handschellen.
Die Polizei hatte soeben einen Mann verloren. D. D. war fuchsteufelswild.
Und es beruhigte sie nicht im Geringsten, als ihr gemeldet wurde, dass Ethan Hastings ausgeflogen war und seine Eltern nicht wussten, wo er sein mochte.
Drei Minuten nach elf. Der Junge war verschwunden.
«Wie bist du dahintergekommen?», fragte Jason.
«Ich wollte dir einen iPod zum Geburtstag schenken, habe die Software auf unseren Computer überspielt und dabei ein Foto im Papierkorb entdeckt.»
«Welches?»
«Eins von dir als Junge. Du bist übel zugerichtet, und eine Tarantel krabbelt dir über die nackte Brust.»
Jason nickte. Er starrte auf den Boden. «Ja, schrecklich», sagte er leise. «Aber das ist schon lange her, über zwanzig Jahre. Ich bin darüber hinweg. Dumm nur, dass es sehr viele Fotos dieser Art gibt … und Videoaufnahmen. Der Mann, der sie gemacht hat, hat sie auf den Markt gebracht und an Päderasten verkauft, die natürlich ihrerseits ihren Profit daraus schlagen, immer und immer wieder. Es gibt zahllose solcher Fotos, in Hunderten von Ländern und auf Zehntausenden von Servern. Sie alle zurückzuholen ist schlichtweg unmöglich. Ich weiß jedenfalls nicht wie.»
«Du bist entführt worden», sagte sie.
«1985. Kein gutes Jahr für mich.»
«Wann konntest du entkommen?»
«Drei oder vier Jahre später. Ich habe mich mit einer älteren Nachbarin angefreundet. Rita. Sie hat mich bei sich wohnen lassen.»
«Und der Mann ließ dich einfach gehen?»
«Nein, das hat er nicht. Er hat Rita aufgelauert, sie gefesselt und mir seine Pistole gegeben, um sie zu erschießen. Zur Strafe dafür, dass ich ihm nicht gehorcht habe.»
«Hast du geschossen?»
«Ja.» Er schaute ihr in die Augen. «Auf ihn, bis das Magazin leer war.»
«O Jason, das ist grauenvoll …»
Er zuckte mit den Achseln. «Das ist lange her. Ich habe den Mann getötet. Die Polizei brachte mich zu meiner Familie zurück. Der Fall wurde zu den Akten gelegt. Und mir sagte man, ich solle nach vorn schauen.»
«Wie haben sich deine Eltern verhalten? Sie werden doch bestimmt entsetzt gewesen sein über das, was dir angetan worden ist.»
«Schwer zu sagen. Ich glaube, sie haben sich ganz normal verhalten. Aber ich … war nicht normal.» Er betrachtete sie nachdenklich. Vor dem Haus brannten Tausend-Watt-Scheinwerfer. Das Schlafzimmer lag im Halbschatten. Sandy und Jason waren wie zwei Kinder, die unter der Decke kauerten und sich gruselige Gespenstergeschichten erzählten,
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