Olga & Lust und Leid
weder Mitleid noch ein schlechtes Gewissen. Der Henkersknecht dachte nur nach, wie er seinen Mord an mir am besten bewerkstelligen konnte. Höhnisch auflachend stieß er mir das Bajonett direkt zwischen meine Beine. Der Schmerz war unerträglich und ich verlor fast das Bewusstsein. Sein Kommandant trat hinzu und riss ihm das Gewehr aus der Hand.
„Du sollst sie nicht ficken, sondern umlegen!“, keuchte er und stieß das Bajonett in Richtung meines Halses, um dort die Halsschlagader zu treffen, verfehlte diese jedoch. Angstvoll versuchte ich fortzukriechen. Ein weiterer Bajonettstich nagelte jedoch mein Bein am Holzfußboden fest.
Der Ungar Imre Nagy, der dies getan hatte, sah mich wie eine Schlange an, die man im Garten auf eine Forke spieß te. Er lachte auf, als ich mich krümmte und wand. Ich konnte nun nicht mehr fort. Ihn belustigte das.
Ein ebenso großer Schmerz breitete sich vom Magen her in meinen restlichen Körper aus. Das alte Blut schien mehr einer Säure zu ähneln. War es tatsächlich das Blut eines Vampirs und nicht bloß Gift?
In diesem Moment des Todes und der Erniedrigung schwor ich Gott ab, der so etwas zuließ, und gelobte Rache. Ich schwor, nicht eher zu ruhen, bis das Menschengeschlecht von Monstern dieser Art befreit war. Blut für Blut, den Guten zuliebe. Dafür war ich bereit, selbst zu einem Monster zu werden.
Jurowski drückte das Gewehr wieder Pawel Medwedew in die Hand. Ich konnte ja nun nicht mehr entkommen. An einer anderen Stelle war für ihn wohl mehr zu tun.
„Du wirst schon sterben, Schlange!“, schrie Medwedew. „Hab nur Geduld! Und schönen Dank noch für den Kuchen!“
Erneut stieß er mit dem Bajonett zu. Er hatte sich nun den oberen Unterleib ausgesucht. Das scharfe Messer drang tief ein. Ein blutiger Brei ergoss sich aus der Wunde. Ein weiterer hilfsbereiter Ungar, der sein Mordgeschäft schon erfolgreich beendet hatte, eilte zu Hilfe. Es war der, der gestern das zweite Stück Kuchen von uns erhalten hatte. Sie stachen wild auf mich ein und zerschnitten dabei meine Gedärme. Ich hörte noch einmal meine Mutter.
„Olga …!“
„Dein Balg ist schon hin!“, hörte ich Jurowski höhnen. „Wieso lebst du Hexe noch?“
„Da liegt Gold!“, schrie plötzlich Medwedew aufgeregt.
Aus meinem Mieder hatten sich einige Teile des eingenähten Schmuckes gelöst. Auch Jurowski blickte erstaunt auf das glänzende Metall.
„Diese Ausbeuterbrut versteckt sogar noch bei der eigenen Hinrichtung ihr Gold! Darum sind die Kugeln abgeprallt!“, stieß er aufgebracht hervor.
Für einen Moment hielten die Männer verdutzt in ihrer grausamen Tätigkeit inne und schauten begierig auf die Schmuckstücke.
„Keiner fasst das an!“, befahl ihr Kommandeur.
„Wer das macht, wird sofort erschossen! Wir bringen das jetzt zu Ende und dann sammelt ihr alles ein!“
Jurowski ließ selbst vom Morden ab, um die Untergebenen zu überwachen. Natürlich traute er dieser ihnen nicht. Zudem war seine eigene Gier erwacht.
„Los, an die Arbeit! Ihr seid solche Dilettanten! Ein Teil von dem Pack lebt noch immer!“
Medwedew sah prüfend in mein Gesicht. Unsere Augen trafen sich. Er stach mir erneut herzlos in den Bauch und spuckte mich an.
„Da unten hast du sicher keinen Panzer mehr! Nun ist es aus, du kleine Schlampe! Krepier!“ Mit Wucht jagte er das stählerne Bajonett in meinen Kehlkopf.
Ich bekam keine Luft. Mir wurde sehr, sehr kalt. Es wurde dunkel und friedlich. War dies der Tod? Endlich tat nichts mehr weh.
Bergwerksschacht Ganina Jama
Ich spürte etwas. Was war los? Mein Körper war unfähig sich zu bewegen, aber mehr und mehr von der Umgebung wurde auf eine neue Weise vom Bewusstsein wahrgenommen. Man schnitt mir wohl gerade die Kleidung vom Leib. Anschließend trug man mich auf einer Bahre aus dem Haus.
Mühsam versuchte ich die Augen zu öffnen. Das war mir nicht möglich, aber langsam kehrten Erinnerungen zurück. Entsetzen schnürte erneut meinen Hals zu. Was hatten diese Bestien uns angetan? War das alles ein Traum oder war ich inzwischen auf der anderen Seite des Lebens angekommen und bereits tot?
Es war unbeschreiblich kalt. Nur mein Gehör funktionierte auf ungewöhnliche Weise gut. Dadurch gelang es mir, einen ersten Überblick zu gewinnen. Das Tuckern musste von einem Auto stammen. Waren wir auf einem Lastwagen?
Von einem Moment auf den anderen war auch das Geruchsempfinden da. Es war intensiver als zuvor und dadurch verändert. Jedoch erkannte ich den
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