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Olga & Lust und Leid

Olga & Lust und Leid

Titel: Olga & Lust und Leid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Anderson
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sie, doch der Körper blieb versteinert.
    „Hast du das auch gefühlt?“, stieß einer der Träger ängstlich hervor.
    „Was?“, flüsterte der andere.
    „Irgendeine Bewegung! Und mir ist plötzlich eisig kalt. Meine Haare stehen zu Berge!“
    „Das ist so mit Leichen, die zucken manchmal. Das ist wie bei geköpften Hühnern“, wiegelte der andere ab.
    Ich fiel mehrere Meter zu Boden und schlug auf. Dabei brachen Rippenknochen. Frischer Schmerz durchzuckte mich. Ich verlor erneut das Bewusstsein. ...
    Als ich wieder erwachte, hörte ich von oben Stimmen.
    „Geht hier wirklich alles schief? Die Sprengladung explodiert einfach nicht! So eine Hundescheiße! Fick doch deine Mutter! Die Weißen kommen immer näher! Wir müssen zurück in die Stadt und Säure sowie Benzin holen. Das Pack muss verbrannt werden! Keiner darf sie finden!“, schimpfte Jurowki.
    Ihr Plan hatte wie durch ein Wunder nicht funktioniert. Sie fuhren noch einmal fort.
    Töten ist schwierig, das Verbergen des Verbrechens ebenso. Die Welt hatte sich gegen sie verschworen.
    Von oben hörte ich Schüsse, hier unten das Getrappel von Tieren. Es waren offenbar aufgeregte Ratten.
    Nach einigen Minuten konnte ich mich endlich bewegen. Auch die Sehkraft kehrte endlich mit neuer Stärke zurück. Zuerst konnte ich nur einen Finger, dann ein Augenlid, dann einen Zeh heben. Eine Ratte hatte sich inzwischen an meinem nackten Bein zu schaffen gemacht und biss genüsslich ein Stück weißer Haut heraus. Sie aß diese.
    Angewidert und zornerfüllt griff ich zu. Das erstaunte Tier hatte damit nicht gerechnet und vergaß zu fliehen.
    Boshaft sah ich dem verängstigten Tier in die Augen und quetschte die Hand zusammen, bis ich sein Fleisch zerdrückt hatte. Ein blutiger Brei tropfte durch die Finger in meinen Mund. Weitere Kraft begann mich zu durchströmen. Die eisige Kälte meines Inneren erwärmte sich und ließ die Starre der Muskeln schwinden.
    So lag ich eine Weile da und jagte auf diese Weise. Es war ein kleines Vergnügen und die erste Mahlzeit zugleich. Ich nahm das neue Leben dankbar an. Die Welt der Lebenden hatte mich schlecht behandelt und ausgestoßen. Jetzt würde ich den Spieß umkehren.
    Nachdem etwas Kraft zurückgekehrt war, erhob ich mich. Ein bitterer Anblick bot sich. Nackt, blutüberströmt und von Wunden zerrissen lag meine gesamte Familie wahllos auf dem Boden, weggeworfen wie Müll. Die Ratten hatten sich inzwischen aus Angst verzogen.
    Eisige Tränen rannen mir aus den Augen und wahnsinniger Zorn erfüllte mein Herz. Es war mühsam, hier die Beherrschung zu bewahren. Damit es mir nicht wie dem Vampir erginge, dessen Blut mich erweckt hatte, musste aber der Verstand vor dem Zorn gehen.
    Als Erstes blickte ich zu meinem Vater. Es gibt für ein großes Kind keinen unangenehmeren Anblick als vollkom men entblößte Eltern. Die Wut über diese Würdelosigkeit ließ erneut Hass auflodern, doch ich zwang ihn für den Moment hinunter. Papa war wärmer als ich. Vielleicht lag das an dem alten Blut in mir.
    Oh, wie wunderbar roch er selbst als Toter noch! Kühle Tränen mischten sich nun mit seinem Blut. Ein schauerlicher Gesang des Schmerzes erfüllte das Dunkel der Grube.
    Noch immer war Liebe tief in meinem Herzen. Ich umschloss diese nun mit Groll. Sie sollte fortan unter Verschluss und ein Geheimnis bleiben.
    Genauso verabschiedete ich mich von Mama, die mir auch dieses zweite Leben geschenkt hatte. Wie ein Baby legte ich mich auf ihre blutigen Brüste und ließ rote Tränen aus den Augen rinnen. Auch diese Gefühle umschloss ich mit Bosheit.
    Dann nahm ich meinen Bruder, den Zarewitsch, in die Arme, so wie ich es als älteste Schwester oft getan hatte. Was hatten die Monster unserem Baby angetan? Sein Kopf war zerschossen, das Gesicht kaum zu erkennen.
    Wie wunderbar erscholl einst sein Lachen, wie stolz waren wir auf seine Schritte, die von unserer Angst begleitet wurden, er könne sich stoßen.
    Tatjana erschien mir fast lebendig, sodass ich immer wieder prüfte, ob sie nicht doch atmete. Vielleicht hatte Mama ihr die zweite Phiole gegeben? Sie war jedoch tot. Auch die Schwesterliebe umschloss ich mit Wahnsinn und Raserei. Ebenso tat ich es bei Maria und Anastasija.
    Keine Ratte wagte sich mehr in meine Nähe. Eine dicke böse Schicht aus Mordlust und Hass umschloss nun mein Menschsein und forderte die Herrschaft ein.
    Hätte Papa den Bolschewikenkönig Lenin und seine Helfer nur nicht ins Exil geschickt, sondern ihnen das Herz aus dem

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