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Olga & Lust und Leid

Olga & Lust und Leid

Titel: Olga & Lust und Leid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Anderson
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verborgen, in einer Mulde. Dieses unzureichende Versteck befand sich mitten im Kampfgebiet zwischen den vorstürmenden Weißgardisten und den bedrängten Rotgardisten, die gegeneinander um den Besitz von Jekaterinburg, der wichtigsten Metropole im Ural, rangen. Es war der 18. oder 19. Juli 1918. Mein Zeitgefühl arbeitete durch die Furcht, die körperlichen Strapazen und das getrunkene böse Blut unzureichend. Dieses Zeug verwandelte mich in eine Bestie.
    Ein Mordkommando aus Bolschewiken und ungarischen Kriegsgefangenen unter dem Kommandanten Jakow Michailowitsch Jurowski hatte in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli unsere gesamte Familie auf bestialische Weise hingerichtet. Dahinter stand die Tscheka, der neue Geheimdienst Lenins. Mit ihren Bajonetten hatten die Gardisten die Bäuche meiner Schwestern aufgeschnitten, dem jungen Zarewitsch mehrfach aus nächster Nähe ins Ohr geschossen und unsere Leichen, wie die von wertlosen Tieren, in einen Bergwerksschacht geworfen. Da die Sprengladung, die ihre Missetat für immer dort verbergen sollte, durch ein Wunder versagte, holten sie unsere Leichen wieder hoch und vergruben sie an einer anderen Stelle. Der Vormarsch der Weißgardisten störte sie jedoch dabei.
    Einzig ich hatte überlebt, weil unsere Mutter, die ehemalige Zarin von Russland, mir diesen besonderen Saft geschenkt hatte. Das Blut des Vampirs zirkulierte in meinen Adern und schenkte mir nun dieses neue Leben. Der bittere, warme Lebenssaft eines Rotgardisten war die erste Muttermilch gewesen.
    Die weißgardistischen Truppen wurden von den Tschechen angeführt. Ihr Ring um Jekaterinburg hatte sich inzwischen geschlossen.
    Immer wieder peitschten Schüsse durch die Luft und Granateinschläge detonierten auf dem Schlachtfeld. Soldaten stöhnten zu Tode getroffen oder schwer verletzt. Pulverrauch durchzog zusammen mit dem frühmorgendlichen Nebel den Birkenwald. Grashalme wiegten sich leicht im Wind. Zwischen den Bäumen und Sträuchern huschten Rehe und Wildschweine verängstigt umher.
    Das äußere Geschehen erschien unwirklich, wie aus einem Traum geboren. Mir war sehr übel, Frost schüttelte mich. Der verstorbene Körper verwandelte sich weiter.
    Aus dem Mund ergossen sich immer wieder Schwalle säuerlichen schwarzen Magensaftes und die Reste meiner menschlichen Fäkalien liefen stinkend an den nackten Beinen herunter. Dieser Geruch biss scharf in der neuerdings empfindlichen Nase. Ich vermochte mich kaum zu bewegen. Die Riech- und Hörkraft funktionierten von allen Sinnen am besten.
    Ich spürte einen Tritt auf mir. Ein Mann stieg mit vorausgerichtetem Gewehr eilig über meinen gequälten Körper hinweg. Entweder bemerkte er ihn nicht oder die vermutete Frauenleiche war ihm egal. Andere Soldaten folgten ihm gebückt. Sie trugen entweder tschechische oder zaristische Soldatenuniformen. Es waren die lange erwarteten Unsrigen. Endlich waren sie da.
    Der Plan des jungen charismatischen tschechischen Generals Radola Gajda war gelungen. Unseretwegen war der schnelle Vormarsch seiner Truppen auf Jekaterinburg erfolgt. Mit nur wenigen Soldaten hatte er Teile der transsibirischen Eisenbahnlinie unter Kontrolle gebracht und so die wichtigste Nachschublinie der Rotgardisten unterbrochen. Sie konnten keine Hilfe aus Zentralrussland auf diesem Weg erhalten.
    Der junge General war gerade vierundzwanzig Jahre alt. Eine solche Karriere war sicher nur in diesen schwierigen Zeiten möglich. Mama hatte uns gesagt, er sei wahrlich ein ehrenwerter Mann und werde unserer Familie helfen. Wir hatten alle für seinen Sieg gebetet. Es gab sie doch noch, die letzten Helden, die nicht der neidischen Hetze gegen uns gefolgt waren.
    Seine Truppen wussten jedoch nicht von unserem Tod und erhofften sich noch immer, sowohl den Zaren als auch seine Angehörigen zu retten und vor einem Mord durch die Bolschewiken zu bewahren.
    Doch diese hatten das nicht zugelassen. Unsere Leben wurden herzlos ihrer proletarischen Idee geopfert. Ihr Ziel war die physische Vernichtung aller Adeligen, aller Bürger, der gesamten Intelligenz, der Künstler und Kosaken.
    Die Sonne war bereits aufgegangen. Ich konnte ihr gleißendes Licht kaum ertragen und steckte meinen Kopf tief unter den Blätterhaufen in weiches Moos. Das linderte den ungeheuerlichen Schmerz.
    Mir war so unendlich übel, meine Muskeln zitterten und ich wagte mich nicht zu erheben.
    Wie würde der Empfang durch die Unsrigen sein? Eine erneute Ohnmacht umfing mich. ...
    Es war mitten in der

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