Olga & Lust und Leid
ihnen helfen. Sie warteten auf eine Leckerei. Mit einem scharfen Messer das ich oft benutzte, löste ich kurzerhand ein Stückchen Haut aus dem Bein heraus und warf es Wenjera zu. Davon würde er nicht sterben. Dann schnitt ich aus dem anderen ein weiteres Stück heraus und warf es vor Aurora. Beide stürzten sich begierig darauf und schlangen die blutig frische Haut genüsslich kauend herunter. Dabei schauten sie mich mit ihren großen Augen zufrieden an. Ab und zu schlossen sie wohlig ihre Lider. Das war herzallerliebst.
Durch den Klebestreifen hörte ich das Gewimmer des Geplagten. So hatte er sich seine Eroberung sicher nicht vorgestellt. Ich kicherte in der Erinnerung daran.
Gut gelaunt schloss ich die Tür hinter mir und tanzte meinen wahnsinnigen Tanz weiter. Wie wunderbar warm mir inzwischen war! Vielleicht würde ich heute doch noch sein Leid beenden. Noch ein, zwei Gläser und es war vorbei mit ihm.
Sollte man es darauf ankommen lassen? Es war doch nur ein Spiel.
Das Handy riss mich aus der Trance. Als Klingelton erscholl die alte russische Zarenhymne in einer recht modernen Version. Die beiden Musiker hatten sie vor ihrem unfreiwilligen Ende als letzten Gruß für mich erstellt. Heute bedauerte ich ihren schnellen Tod, den ich als Lohn gewährt hatte. Diese Melodie gefiel mir noch immer. Sie waren talentiert gewesen.
„Ja?“, meldete ich mich leicht außer Atem.
Die Detektei war auf der anderen Seite.
„Gut, ich komme gleich!“
Meine Stimme klang normal und geschäftlich.
Nachdenklich ging ich zum Spiegel und schaute hinein. Die Geschichte vom fehlenden Bild darin ist eines dieser Märchen über Vampire.
War es eine gute Zeit, um einen neuen Auftrag zu übernehmen? Langsam trank ich das Glas aus und betrachtete dabei das Gesicht. Durch das viele Blut wirkte meine Hautfarbe fast menschlich, selbst die Hände waren für den Moment warm.
Es wurde Zeit, sich anzuziehen. Ü ber eine schwarze Hose und eine dazu passende Bluse streifte ich einen dünnen Wollmantel. Des Pelzes bedurfte es heute nicht, denn die innere Temperatur war ausreichend.
Zum Glück war es bereits später Nachmittag, sodass die Augen nicht mehr lange unter dem starken Licht leiden musste. Eine schwächere Sonnenbrille reichte.
Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass mein Appartement gut verschlossen und gesichert war, fuhr ich mit dem Lift in den Keller. Das war der kürzeste Weg aus dem Haus.
Am Taxistand um die Ecke standen zumeist genügend Fahrzeuge. Es war am Tag nicht notwendig eines mit dem Handy zu bestellen. Das eigene Auto sollte heute in der Tiefgarage bleiben. Der Verkehr in Berlin war recht dicht und oft stand man im Stau. Taxis durften dann die Busspur benutzen. So war man deutlich schneller.
Der Fahrer erkannte mich leider. Er hatte mich bereits letzte Woche befördert und wohl das Gesicht in Erinnerung behalten. Das lag an dem Lockstoff meines Blutes.
„Wieder zur Detektei?“
„Ja.“
„Ich kann gar nicht glauben, dass Sie dort arbeiten. Sie sehen noch so jung aus! “
Das sollte wohl ein Kompliment sein. Ich musste mich etwas auf seine Konversation einlassen, um nicht unhöflich zu wirken.
„Das gibt sich irgendwann!“, scherzte ich.
„Ich habe zudem nur gelegentlich mit der Detektei zu tun.“
„Das sagen alle“, versuchte der Mann mich weiter in das Gespräch einzubinden. Seine Bemerkung gefiel mir nicht.
Das nächste Mal sollte ich doch lieber mit dem eigenen Wagen fahren. Neugierige Menschen waren mir ein Graus und stellten eine Gefahr dar. Er sollte lieber nicht weiter fragen!
Demonstrativ begann ich etwas in mein Smartphone einzugeben. Aus meiner Sicht hatte ich genug Höflichkeiten ausgetauscht. Er akzeptierte das notgedrungen.
Die Filiale der internationalen Detektei Barnes & Gobler befand sich etwa fünfzehn Fahrminuten von mir entfernt in einer der besten Straßen Berlins. Die gute und teure Lage verdeutlichte ihre Bedeutung. Das traditionelle Luxushotel Adlon war nur wenige Gehminuten entfernt. Dort hatte bei meiner Ankunft der Filialleiter als Willkommensgeste mit mir gespeist.
Die Arbeit für die Detektei hatte für mich mehrere Vorzüge. Zum einen war ich gut getarnt und erhielt Einblicke, die bei meiner eigenen Jagd von Nutzen waren. Weiterhin war man vor Nachforschungen recht gut geschützt, durfte Waffen besitzen und konnte meist frei über die Zeit verfügen. Nach einigen Jahren – wenn es auffiel, dass ich nicht alterte – wechselte ich dann die Stadt, das Land, die
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