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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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des Arbeitshauses hing.
    »Höhhh – brrr« – rief Mr. Gamfield seinem Esel zu. Der Esel war jedoch ebenso wie sein Herr tief in Gedanken versunken und wahrscheinlich mit der Berechnung beschäftigt, ob er einen oder zwei Kohlstrünke bekommen würde, wenn er die beiden Säcke Ruß, mit denen der Karren beladen war, an Ort und Stelle gebracht haben würde, und so trottete er daher, den Zuruf seines Herrn mißachtend, weiter.
    Mr. Gamfield widmete ihm einen schweren Fluch, rannte hinter ihm her und gab ihm einen Schlag auf den Schädel, wie ihn eben nur ein Eselskopf auszuhalten vermag, führte ihn dann durch einen heftigen Riß am Zügel, der ihm fast den Unterkiefer ausrenkte, zu Gemüt, daß hier niemand andres zu befehlen habe als Mr. Gamfield, und gab ihm schließlich einen zweiten Hieb auf den Kopf zum Zweck, um ihn bis zu seiner Rückkehr in der nötigen Betäubung zu erhalten. Nachdem er diese Vorsichtsmaßregelngetroffen, schritt er auf das Tor zu, um den Anschlagzettel zu lesen. Der Gentleman mit der weißen Weste stand gerade, die Hände auf dem Rücken, vor dem Tor. Er hatte das Zerwürfnis und seine Folgen zwischen Mr. Gamfield und dem Esel beobachtet und lächelte höchst vergnügt, als der Mann näher trat, um den Zettel zu lesen. Auf den ersten Blick erkannte er, daß Mr. Gamfield der richtige Gebieter für Oliver Twist war. Auch Mr. Gamfield lächelte, als er den Anschlag las, denn fünf Pfund waren gerade die Summe, die er brauchte. Was den Lehrburschen anbetraf, so war Mr. Gamfield hinsichtlich der Beköstigung im Arbeitshaus zu genau unterrichtet, um nicht sofort einzusehen, daß ein Waisenzögling die entsprechend schmächtige Statur haben müsse, die ein Schornsteinfegerjunge braucht. Er buchstabierte den Zettel noch einmal von A bis Z durch, berührte den Rand seiner Pelzmütze und wandte sich an den Gentleman mit der weißen Weste.
    »Ist da der Lehrbub herinnen, den wo das Arbeitshaus abzugeben hat?« begann er.
    »Wünschen Sie etwas von ihm?« forschte der Gentleman mit der weißen Weste.
    »Wenn’s der Gemeinde recht wär, daß er a leichts angenehms Handwerk lernt, dös Schornsteinfegerhandwerk nämlich, so brauchet i gerad an Lehrling und könnt ihn glei’ mitnehmen.«
    »Treten Sie näher«, rief der Gentleman mit der weißen Weste.
    Mr. Gamfield lief zuvörderst noch einmal zurück, um dem Esel einen dritten Schlag auf den Kopf zu geben und ihn am Zügel zu reißen, auf daß er es sich nicht beifallen ließe, in der Abwesenheit seines Herrn durchzugehen. Dann folgte er dem Gentleman mit der weißen Weste in das Zimmer, das Oliver zum erstenmal betreten hatte.
    »Es ist ein etwas schmutziges Handwerk«, sagte Mr. Limbkins, als Mr. Gamfield seinen Wunsch noch einmal wiederholt hatte.
    »Es soll schon hie und da ein Junge im Schornstein erstickt sein«, wendete ein anderer Gentleman ein.
    »Jetzt dös kummt bloß daderher«, erklärte Mr. Gamfield, »weil’s a so üblich is, nasses Stroh im Kamin anzuzünden, damit die Buabn runterkommen. Dös gibt mehr Rauch als wie a Flamm. Aber i halt nix von der Method; der Rauch macht nur, daß die Buabn alleweil einschlafen. I zünd lieber glei a frischs Feuer an; dös is des beste Mittel, um ihna auf die Bein zu helfen. Da müassens arbeiten aus Leibeskräften, sunst verbrennens iahna die Haxen.«
    Dem Gentleman in der weißen Weste schien diese Schilderung großes Vergnügen zu bereiten, aber seine Heiterkeit wurde durch den strafenden Blick, den ihm Mr. Limbkins zuwarf, im Keim erstickt. Ein paar Minuten berieten die Herren Vorstände miteinander, jedoch in so leisem Ton, daß nur hin und wieder ein paar Worte wie: »Ersparnis« oder »guter Eindruck bei der Abrechnung« hörbar wurden. Endlich stockte die im Flüsterton geführte Unterhaltung, und Mr. Limbkins begann, nachdem die Herren mit feierlicher Miene ihre Plätze wieder eingenommen hatten:
    »Wir haben Ihren Vorschlag in Erwägung gezogen, können aber nicht darauf eingehen.«
    »Unter keinen Umständen«, bekräftigte der Herr in der weißen Weste.
    »Nein, unter keinen Umständen«, erklärten die übrigen Herren Vorstände.
    Mr. Gamfield war sich bewußt, daß er bei Gericht in Verdacht stand, drei oder vier Lehrjungen im Kamin fahrlässigerweise habe ersticken lassen, und kam daher auf die Vermutung, das Vorstandskollegium könne möglicherweise inganz unbegreiflicher Laune ein Haar in der Suppe gefunden haben. Da er das alberne Gerücht nicht weiter breitgetreten zu sehen

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