Oma dreht auf
mit der Bitte um Rücknahme der Kündigung, Petersen brauchte nur zu unterschreiben. Wenn er das nicht tat, würden sie Montagmorgen wieder in seinem Wartezimmer sitzen, erst vormittags, dann nachmittags, um am Dienstagvormittag wiederzukommen. Und im Gespräch mit den anderen Patienten würden sie bereitwillig erzählen, was für ein «Gutmensch» der Doktor in ihren Augen war. Das würde Petersen gar nicht gefallen, und er könnte wenig dagegen machen. Als sie wieder im Taxi saßen, war die Stimmung dementsprechend fröhlich.
«Heute ist Freitag», juchzte Christa. «Das wird ihn das Wochenende über beschäftigen.»
Ocke schüttelte verständnislos den Kopf: «Heißt das etwa, du willst ihn am Wochenende in Ruhe lassen?»
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27. Die Grönland-Frage
Am Samstag herrschte in ganz Nordfriesland ein hochsommerliches, warmes Wetter – während der Rest der Republik mit Starkregen zu kämpfen hatte. Allein das gab den Urlaubern und Insulanern das Gefühl, privilegiert zu sein und sich – im wörtlichen Sinne – auf der Sonnenseite zu befinden.
Ocke hatte sich mit Christa und Imke vorsichtshalber schon um acht auf den Weg zu Petersens Apartment gemacht. Nun warteten die drei, bis sich hinter den Jalousien etwas regte. Der Herr Doktor schlief anscheinend aus, denn bis zehn Uhr passierte gar nichts. Imke schloss ein wenig die Augen, Ocke schaute stumm aus dem Fenster und dachte an Christa, die neben ihm saß und ebenfalls döste. Dann endlich erschien Petersen auf seinem Balkon, streckte sich gähnend in der frischen Luft aus und wollte den gewohnten Blick auf den Strand werfen, der noch in einem leichten Sommernebel lag. Doch dann rieb er sich die Augen und sah genauer hin. Drei Menschen in schwarzer Trauerkleidung standen ungefähr zwanzig Meter entfernt auf der anderen Straßenseite und starrten ihn an.
«Was wollt ihr?», rief er ihnen zu.
Sie gaben keine Antwort.
Hinter ihm tauchte eine Dunkelhaarige mit Locken auf und sah ihn fragend an. Das war nicht seine Frau! Altersmäßig hatte sich Petersen nach Christa offensichtlich komplett umorientiert. Sie war bestimmt zwanzig Jahre jünger, obwohl sie dafür reichlich verlebt aussah.
«Haut ab», schrie Stefan Petersen.
Die WG -Bewohner zeigten keine Reaktion. Man konnte beobachten, wie die Dunkelhaarige ihn ängstlich etwas fragte und Petersen beschwichtigend, aber offenkundig genervt auf sie einredete.
«Haut endlich ab», schrie er erneut.
Und tatsächlich zogen sie jetzt ab.
Ocke parkte sein Taxi in einer Nebenstraße im Schatten und drehte die Klimaanlage hoch.
«Alles klar mit dir, Imke?», fragte Christa.
«Mir geht’s bestens.»
«Eigentlich ist es ja Terror, was wir hier veranstalten», überlegte Christa.
«Und was ist das, was Petersen macht? Alte Leute auf die Straße setzen?», fragte Imke.
Die Idee zu dieser Aktion beruhte auf einem Zeitungsartikel, den Ocke vor etlichen Jahren mal gelesen hatte. Ein Inkassobüro hatte damals Herren in Anzug und Melone eingesetzt, die nichts anderes taten, als überall aufzutauchen, wo die Schuldner arbeiteten oder wohnten. Sie standen einfach nur da und bewegten sich nicht vom Fleck. Wenn der Schuldner sie ansprach, überreichten sie ihm wortlos eine Visitenkarte des Gläubigers. Diese Methode war damals sehr erfolgreich gewesen, die meisten zahlten nach kurzer Zeit, weil sie es nicht aushielten, permanent an ihre Schulden erinnert zu werden.
Keine halbe Stunde später hatte sich Petersen entschlossen, die Flucht anzutreten. Sein Geländewagen raste mit hoher Geschwindigkeit aus der Tiefgarage, Ocke, Imke und Christa hinterher. Die Fahrt dauerte nicht lange, sie endete vor demselben Tennisplatz im Rugstieg, auf dem Christa und er sich getroffen hatten. Ocke kam es vor, als läge das Lichtjahre zurück. Diesmal stellten sich die drei demonstrativ an eine offene Stelle des Zaunes, damit Petersen sie sah. Es dauerte trotzdem eine ganze Weile, bis er sie bemerkte. Zunächst saß er mit seiner Tussi im Tenniscafé, bestellte etwas und knutschte dann mit ihr herum. Erst als das Frühstück auf dem Tisch stand, warf er einen entsetzten Blick auf den Zaun hinter dem Spielfeld. Jetzt hatte auch seine junge Begleitung die drei entdeckt und zeigte zu ihnen herüber. Sie schien völlig auszuflippen, sprang auf und rannte weg, Petersen spurtete hinterher. Dann kam er wieder an den Tisch, alleine. Er wollte sich offenbar nicht unterkriegen lassen und tat so, als ob er ganz genüsslich
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