Oma ihr klein Häuschen
Boden liegt eine Plastikplane. Offensichtlich soll hier renoviert werden.
«Regina ist weg», jammert Holger.
«Seit wann?»
«Die ganze Nacht. Ich glaube, sie hat einen anderen.» Der ist ja vollkommen neben der Spur.
«Was?», wundert sich Arne.
«Nee!», beruhige ich Holger. «Woher willst du das wissen?»
«Hat Regina einen Computer?», frage ich stattdessen.
«Ja», antwortet Holger verwundert und deprimiert zugleich.
«Holst du bitte mal John?»
Jetzt wird Holger ungewohnt laut. «Halt den Jungen da raus, bitte.»
«Tut mir leid, aber es geht nicht anders.»
«Joohn!», ruft Holger. Er scheint völlig willenlos zu sein, was im Moment genau das Richtige ist.
John kommt aus seinem Zimmer geschlurft. Er trägt eine graue Jogginghose und das Mannschaftsshirt des FC Bayern München. Nacheinander reicht er uns seine schlaffe Tatze.
«Kommst du in den PC deiner Mutter rein?», frage ich ihn direkt.
Beleidigt verzieht er das Gesicht, als ob das die blödeste Frage der Welt sei.
«Kinderspiel.»
«Dann fahr ihn bitte mal hoch.»
John schlurft mit uns ins Wohnzimmer. In einem offenen Schreibsekretär neben der nussbraunen Schrankwand steht ein Laptop, den er mit betont lässigem Tastendruck hochfährt. Arne, Cord und ich schauen ihm dabei von hinten über die Schulter.
«Was willst du da finden?», fragt Holger, der uns besorgt gefolgt ist. «Regina hat sich wohl kaum im Computer versteckt.»
«Doch», erkläre ich ihm.
Jetzt bekommt Holger einen hysterischen Hustenanfall.
«Bist du irre?»
«Nein, aber vielleicht Regina.»
«So redest du nicht über meine Frau!»
Ich ignoriere ihn einfach und starre gebannt auf den Bildschirm. Regina ist so naiv, dass ich es nicht fassen kann. Sie hat die Datei, die ich suche, unter
CORD.doc
auf dem Desktop abgespeichert. Auf unser Bitten hin öffnet John sie, und Cord liest laut vom Bildschirm ab:
Sehr geehrter Herr Riewerts, hallo Cord, du sollst einfach etwas wissen: Dein Vater ist nicht dein leiblicher Vater. Gezeugt bist du von mir, wir haben uns leider nie gesehen. Anbei ein paar Haare von mir als Beweise für eine DN A-Analyse
.
Cord schaut schockiert auf den Bildschirm: «Das ist genau der Brief, den ich bekommen habe.»
«Wann hast du ihn denn genau bekommen?», frage ich. Cord fasst sich an die Stirn: «Jetzt, wo du’s sagst: Kurz nachdem ich mit Regina telefoniert habe. Da habe ich ihr gesagt, dass ich das Haus unter keinen Umständen verkaufen will.»
«Siehst du? Ihr Plan war es, dich aus der Familie zu vertreiben. Also hat sie diesen Brief geschrieben, von wegen, ‹ich bin dein wirklicher Vater›, und hat ein paar Haare aus einer alten Bürste von Opa beigelegt. Die muss sie aus den alten Sachen aus der Garage gehabt haben.»
Cord nickt: «Klar, dass die mit meiner DNA übereinstimmten. Dass die Haare von meinem echten Vater stammten, konnte ich ja nicht ahnen.»
«Genau. Sie hat gehofft, dass du durchdrehst und auf dein Erbe verzichtest.»
«Ein echter Scheißplan», blafft Cord jetzt Holger an.
Der schaut beschämt zu Boden, obwohl er ja nun wirklich nichts dafür kann.
Ich bremse Cord sanft aus. «Es hätte fast funktioniert. Aber dass Oma einen Lover hatte, hat alles durcheinandergewirbelt. Jetzt musstest du ja denken, Cord, dass Johannes dein Vater ist.»
Arne kann es nicht fassen: «Mannomann, Reginchen. Bestimmt ist ihr daraufhin klargeworden, dass wir das nochmal mit ’ner Genanalyse überprüfen und sie dann auffliegt.»
Holger wimmert: «Deswegen ist sie weg? Wo ist sie bloß?»
«Wohin ist sie denn als Teeny immer abgehauen?», frage ich Arne und Cord.
Meine Onkel schauen sich ratlos an.
«Ich habe ja kaum etwas von ihr mitbekommen», entschuldigt sich Arne. «Sie war fast zwanzig Jahre jünger.»
Auch Cord fällt nichts ein.
«Aber jedes Kind hat doch ein Versteck.»
«Die Vogelkoje in Boldixum?», fragt Arne seinen Bruder.
Das ist ein Waldstück hinterm Deich.
Cord nickt: «Stimmt, da war sie oft.»
Wenn es hart auf hart kommt, sind die Riewerts wohl alle keine Gemeinschaftstrinker, sondern ziehen sich allein in die Natur zurück. Oma ins Watt und Regina in die Vogelkoje.
Zum Glück bleibt uns jedoch eine Suchaktion erspart:
Der Schlüssel in der Haustür wird gedreht, und Regina wankt herein. Ihr Haar ist zerstrubbelt, sie trägt eine Decke unter dem Arm. Vermutlich hat sie draußen geschlafen.
Mit großen Augen starrt sie uns an.
Ihr muss klar sein, dass wir alles wissen.
«Moin, Regina», sagt Cord.
Er
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