Oma packt aus
nur verwöhnen lassen.
Irene erschien in Begleitung ihres Imperators Giovanni. »Wo ist mein Dicker?«
»Spazieren mit Grete und Klara«, gab ich Auskunft. Unauffällig musterte ich sie. Irene wirkte glücklich und um zehn Jahre verjüngt. Kein Wunder. Nach der Scheidung von Kurt, der demnächst Zwillingsvater wurde, und einem Leben nur fürs Geschäft konnte so ein feuriger Italiener wahre Wunder bewirken.
So überraschten mich ihre nächsten Worte auch nicht weiter.
»Ich bleibe übrigens noch ein Weilchen hier, das heißt, in Bari.« Sie zwinkerte Giovanni zu. »Er besitzt ein Haus am Meer, und für Rüdiger ist auch reichlich Platz.«
Wenn das so weitergeht, lasse ich meine ganze Familie in Italien zurück, überlegte ich.
Irene nahm meine Hand. »Ich bleibe ja nicht für immer. Und Rüdiger auch nicht.«
Offenbar war sie nicht sicher, wer mir mehr fehlen würde.
Ich schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Ich werde dich vermissen, aber genieß dein Glück.«
»Du auch.«
Wir waren jetzt Freundinnen. Richtig dicke Freundinnen. Es fühlte sich gut an.
Als der Abend hereinbrach, begann das Festessen zu meinen Ehren. Die Köchinnen hatten sich selbst übertroffen. Das geröstete Weißbrot, Bruschetta genannt, war diesmal auch mit Tomatenwürfeln, Sardellen oder zerlaufenem Käse belegt. Als ersten Gang gab es Tagliatelle mit Kichererbsen, Gnocchi mit Entenragout und Risotto mit Meeresfrüchten. Dann folgten Milchlamm mit schwarzen Oliven und Kapern, Hummer und gegrillte Thunfischsteaks.
Als Nachspeise wurde Marzipan- und Schokoladenkonfekt zu einer riesigen Eisbombe gereicht. Das Konfekt war für Rüdiger verboten, wie Irenes strenger Blick sämtlichen Anwesenden mitteilte. Aber ein kleines Schälchen Eis durfte Margherita ihm geben. Ohne Sahne. Vor lauter Wohlbefinden vergaß Rüdiger glatt die Pupserei.
Rotwein und Liköre flossen in durstige Kehlen, die letzten Sprachbarrieren wurden mit Händen und Füßen überwunden. Aus einer Stereoanlage klangen rasante Tarantella-Töne, aber niemand tanzte. Das Schicksal der Rosalba hinderte sie wohl daran.
Bevor wir alle unter den Tischen lagen, ergriff Don Antonio das Wort. Seine Rede geriet ziemlich lang und reichte von den Anfängen der Familie Occhipinti – ein Ur-ur-und-so-weiter-Großvater wurde mal in einem alten Polizeiregister als Eierdieb erwähnt – bis zu den jüngsten Entwicklungen.
Ich grinste und schaute zu Grete.
Eierdieb, alles klar. Sie hatte es ja immer gewusst. So hatte die Mafia bestimmt auch mal angefangen. Aber dann rammte Marie ihr einen Ellenbogen in die Seite, und sie setzte ein freundliches Lächeln auf.
Bemerkenswert. Marie setzte sich gegen Grete durch! Was die apulische Sonne so alles bewirken konnte!
Während Marie übrigens tüchtig von allen Gerichten probierte, knabberte Grete nur am Brot. Ihre mitgebrachte Nahrung war wohl aufgebraucht.
Der Padrone kam zum Ende, als hier und da schon ein paar Augen zufielen und ein oder zwei Köpfe auf die Tischkante sanken. Er verkündete, er habe mit Elena beschlossen, dass eine Abordnung der Familie Occhipinti die neuen deutschen Verwandten besuchen werde.
Grete entschlüpfte ein »Gott bewahre!«. Zum Glück leise. Ich stellte mir vor, wie sie meine italienische Familie bis an die Zähne bewaffnet empfangen würde.
Außer ihm selbst und seiner Frau werde Marcello mitkommen. Anna werde leider unabkömmlich sein.
Klar, die hatte Angst vor deutschen Marcello-Nachkommen in Truppenstärke.
Meine Zwillingsbrüder wollten auch dabei sein, erfuhr ich und freute mich. Und Margherita.
Toll.
Papa erhob sich. »Es wird uns eine Ehre sein, euch alle in der Lüneburger Heide willkommen zu heißen.«
Wow! Er brachte noch einen vollständigen Satz heraus. Der hatte sich heute aber bei Wein und Grappa zurückgehalten!
Don Antonio nickte gnädig und fügte noch hinzu, der Besuch werde zu Weihnachten stattfinden, weil Margherita dann Schulferien habe.
Wunderbar. So bald schon.
Als er sich wieder gesetzt hatte, erhob sich Großtante Marie.
Nanu?
Sie bat kurz um Ruhe und sprach dann mit leiser Stimme. Alle hörten ihr gebannt zu. Die Italiener hatten sie für stumm gehalten, wir Deutschen hatten noch nie erlebt, dass sie eine Rede hielt.
Nun, sie machte es kurz. Nachdem sie sich für die Gastfreundschaft bedankt hatte, bat sie den Padrone in aller Form, noch eine Weile bleiben zu dürfen. Ihrem Rheuma ginge es hier so viel besser als im nasskalten Deutschland.
Margherita übersetzte,
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