Oma und Frieder - Sammelband
und kann überhaupt nicht schlafen, kein bisschen. Immerzu muss er hinschauen zum wunderschönen, nagelneuen Ranzen auf dem Tisch. Wie der da steht und wartet, auf ihn, den Frieder, der morgen doch endlich ein Schulkind wird.
Zur Zuckertüte allerdings möchte er noch viel lieber schauen, das geht aber leider nicht. Die hat die Oma in der Küche eingesperrt. »Sicher ist sicher«, hat sie gesagt und sie hat ihm auch nicht verraten, was alles in der Zuckertüte steckt, weil man das erst wissen darf, wenn die Schule aus ist. Das hat ihm die Oma genau erklärt.
Weil man nämlich eine Belohnung haben muss, wenn man zum ersten Mal zur Schule geht.
Frieder seufzt tief auf. Eine Belohnung könnte er jetzt schon brauchen, sehr sogar, weil die Schule immer noch nicht anfängt. Immer noch nicht? Vielleicht doch! Es ist ja draußen noch beinahe ganz hell, vielleicht hat die Oma sich mit der Uhr geirrt, das tut sie manchmal, sie ist ja schon alt. Dann fängt gar die Schule ohne ihn an! Das geht auf keinen Fall! Das muss die Oma einsehen!
Sofort steigt Frieder aus dem Bett, schnallt sich den Ranzen auf den Schlafanzugrücken und flitzt zur Oma in die Küche, dass der Ranzen auf seinem Rücken auf und ab hüpft. »Oma!«, brüllt er. »Oma! Ich glaub, die Schule fängt schon an!«
»Ha!«, schreit die Oma auf und lässt ihr Strickzeug fallen und fährt hoch aus dem Sessel. »Hast du mich aber erschreckt! Ja willst du Lauser wohl wieder ins Bett! Am Abend geht kein Mensch in die Schule, das wären ja ganz neue Sitten! Marsch, ab mit dir und Augen zu und Schluss! Eine Oma ist auch nur ein Mensch und der Tag war lang genug und morgen wird er noch viel länger, haben wir uns verstanden?«
Frieder nickt trübe und schnauft auf und macht kehrt mit dem Ranzen auf dem Rü-cken und wandert zurück in sein Zimmer. Am Abend geht wirklich kein Mensch zur Schule, das muss er einsehen. Aber schlafen kann er trotzdem nicht. Und ganz bestimmt die ganze lange Nacht nicht.
Frieder seufzt und stellt den Schulranzen fein säuberlich wieder auf den Tisch. Der muss auch warten, der arme Ranzen. Da fällt ihm wieder die Zuckertüte ein. Die muss erst recht warten, und zwar ganz alleine in der Küche. Die Oma sitzt ja nicht ewig da und strickt, die geht bestimmt bald schlafen.
Frieder seufzt ein zweites Mal. Die arme, glitzrige Zuckertüte. Hellblau ist sie auch, wie der Ranzen, bloß ohne gelben Elefanten. Dafür glitzert sie so schön wie ein Weihnachtsstern. Von außen kennt der Frieder sie schon gut, bloß von innen noch nicht.
Frieder seufzt ein drittes Mal. Das dauert ja ewig lange, bis endlich Schule ist, und es dauert sicher noch viel länger, bis die Schule aus ist und er die Zuckertüte öffnen darf] Die Oma hat ja selber gesagt, der Tag morgen, der Schultag, der wird lang.
Und vielleicht sind in der Zuckertüte Sachen drin, die werden dann schlecht? So wie Käse verschimmelt oder eine Wurst verdirbt? Das darf man dann auf keinen Fall essen, da wird man furchtbar krank davon!
Dem Frieder wird's ganz anders. Das wär ja was!
Da kommen morgen viele Kinder mit vielen Zuckertüten in die Schule und hinterher wird geschleckt und genascht und in seiner Zuckertüte ist plötzlich lauter fauliges Zeug, das stinkt! Die Oma ist doch schon alt! Vielleicht hat sie beim Einkaufen ihre Brille nicht aufgehabt und aus Versehen hat sie uraltes Stinkezeug gekauft. Sie hat es nicht gemerkt und hat es einfach in seine Zuckertüte gesteckt!
Frieder schluckt und ihm ist klar, er muss zur Zuckertüte, jetzt gleich. Er muss einfach dran schnuppern, dann riecht er's ja gleich. Aber zum Schnuppern muss er in die Küche, und da sitzt doch die Oma und strickt! Oder? Frieder schleicht leise zur Tür und horcht hinaus. Ob er die Oma stricken hört? Oder aber schnarchen? Schnarchen wäre noch besser, dann schläft sie nämlich vor dem Fernseher und er kann sich rasch die Zuckertüte schnappen und ab damit wieder in sein Zimmer.
Frieder horcht und horcht. Er hört überhaupt nichts. Weder Stricknadeln klappern noch hört er den Fernseher brummen und auch kein Omaschnarchen. Umso besser! Dann ist die Oma schon im Bett oder im Bad und putzt ihr Gebiss.
Frieder kichert und huscht wieselflink über den Flur, rein in die stockdunkle Küche.
Wo ist die Zuckertüte denn? Frieder tastet sich hin zum Küchenhocker. Die Zuckertüte fasst sich aber komisch an, so rund und rau, wie ein Korb. Zuckertüten sind doch spitz und glatt! Das ist sie ja auch gar nicht, das ist ja
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