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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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nahezu fruchtlos.
Picciotti
, die wegen einer »Vereinigung in verbrecherischer Absicht« vor Gericht kamen, saßen ihre lächerlich kurzen Haftstrafen in denselben Gefängnissen ab, in denen sie ihr Handwerk überhaupt erst erlernt hatten. Und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass diese grundlegenden Schwächen in der kalabrischen Gesellschaft, die es den
picciotti
ermöglicht hatten, auch außerhalb der Gefängnisse Fuß zu fassen, irgendwann verschwinden könnten.
    Der kriminelle Ausnahmezustand in Kalabrien entging gänzlich der Aufmerksamkeit der italienischen Presse. Allzu wenige Italiener waren bereit, »die kleinen Umstände, die kleine Herzen bewegen«, unter die Lupe zu nehmen. Auf lange Sicht würde Italien diese kollektive Nachlässigkeit teuer zu stehen kommen. Nichts, was kalabrischen Hirten und Bauern widerfuhr, schaffte es in die Zeitungen. Nichts, bis der Waldarbeiter Giuseppe Musolino es zum Briganten Musolino brachte, zum »König des Aspromonte«, und als Verbrecherlegende in die Geschichte Italiens einging.
    Der »König des Aspromonte«
    Im Leben Giuseppe Musolinos sollten die Fakten am Ende wenig zählen. Dennoch müssen wir mit den Fakten beginnen.
    Musolino wurde am 24 . September 1876 in Santo Stefano geboren, einem Dorf im Aspromonte mit etwa 2500  Einwohnern, 700  Meter über der Meerenge von Messina im Wald gelegen. Sein Vater war ein Waldarbeiter und kleiner Holzhändler, gerade erfolgreich genug, um sich ein Wirtshaus zu kaufen. Auch Musolino wurde Waldarbeiter. Doch es war seine gewalttätige Ader, die spätere Biographen hauptsächlich an ihm faszinierte: Noch vor seinem 20 . Geburtstag war er bereits mehrmals mit der Obrigkeit aneinandergeraten, weil er gegen das Waffengesetz verstoßen und außerdem Frauen bedroht und verletzt hatte.
    Der Mythos um Musolino begann am 27 . Oktober 1897 , im Wirtshaus seines Vaters, als er mit einem jungen Mann namens Vincenzo Zoccali in Streit geriet. Die beiden kämpften gegeneinander, und Musolino zog sich eine schwere Schnittwunde an der rechten Hand zu. Musolinos Cousin gab daraufhin zwei Schüsse auf Zoccali ab, verfehlte ihn aber.
    Zwei Tage später war Zoccali noch vor Sonnenaufgang im Begriff, seinen Maulesel anzuspannen, als jemand aus dem Hinterhalt auf ihn feuerte. Wieder verfehlten die Kugeln ihr Ziel. Musolino, dessen Flinte und Schiebermütze am Tatort gefunden wurden, hatte sich in die Wildnis des Aspromonte geflüchtet. Er wurde erst über fünf Monate später gefasst und im September 1898 wegen versuchten Mordes zu 21  Jahren Haft verurteilt. Wütend ob der harten Strafe schwor Musolino, der sich als unschuldiges Opfer eines Komplotts bezeichnete, blutige Rache. Er werde Zoccalis Leber essen, schrie er auf der Anklagebank.
    In der Nacht des 9 . Januar 1899 gelang Musolino und drei weiteren Häftlingen, einschließlich seines Cousins, die Flucht aus dem Gefängnis in Gerace, nachdem sie mit einer Eisenstange ein Loch in die Mauer gebrochen und sich mittels eines Seils aus aneinandergeknüpften Bettlaken zu Boden gelassen hatten. Die angekündigte Blutrache begann in der Nacht des 28 . Januar, als Musolino Francesca Sidari niederschoss, die Frau eines der Zeugen, die gegen ihn ausgesagt hatten. Sie hatte sich über einen Kohlenmeiler gebeugt, und er hatte sie offenbar mit ihrem Mann verwechselt, seinem eigentlichen Ziel. Als Schüsse und Geschrei die Aufmerksamkeit ihres Mannes und die eines anderen erregte, erschoss Musolino auch sie. Er ließ sie liegen, da er sie für tot hielt, und floh erneut in die Berge.
    Der Brigant Musolino (wie man ihn schon bald nennen würde) startete nun einen doppelten Rachefeldzug: Er hatte es sowohl auf die Zeugen abgesehen, die im Zoccali-Fall gegen ihn ausgesagt hatten, als auch auf die Informanten, die der Polizei dabei geholfen hatten, ihn zu fangen.
    Einen Monat nach dem ersten Mord schlug Musolino erneut zu, erstach einen Hirten, den er im Verdacht hatte, ein Polizeispitzel zu sein. Mitte Mai kehrte der Bandit nach Santo Stefano zurück und suchte Vincenzo Zoccali auf – den Mann, dessen Leber er zu essen geschworen hatte. Er steckte eine Ladung Dynamit in die Mauer des Hauses, in dem Zoccali mit seinem Bruder und den Eltern schlief; doch der Sprengsatz detonierte nicht. (Die Familie flüchtete daraufhin in die Provinz Catanzaro.) Einige Tage später verwundete Musolino einen weiteren Gegner schwer.
    Die Reihe der Überfälle setzte sich im Sommer des Jahres 1899 fort. Im Juli streckte

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