Oneway to Montréal - Roman (German Edition)
Ich schwimme und bin in den Semesterferien gerne in den Nationalparks unterwegs gewesen.“
„Ein Allroundtalent also“, kam es leicht bissig von Sammy. „Wie kommt es, dass Dan nie was davon bemerkt hat?“
„Dan hat mit sich selbst genug zu tun und beschäftigt sich nur wenig mit den Belangen anderer. Zumindest nicht bei Männern!“, sagte Larry schlicht ohne einen bösen Unterton.
Sammy zuckte zusammen. Larry verwünschte sich selbst, als er das sah.
„Entschuldige, ich wollte dir nicht wehtun, es ist m ir so herausgerutscht!“
„Wie kommst du darauf, dass du mich verletzt hast?“ , fragte sie ihn in gleichmütigem Tonfall, sah ihn aber dabei nicht an.
Er wartete mit der Antwort so lange, bis sie ihn endlich ansah, dann meinte er:
„Andere sehen dich und Dan wahrscheinlich schon solange als Freunde zusammen, dass es ihnen nicht mehr auffällt, wie ihr miteinander umgeht.
Aber, wenn man neu ist, wie ich, gewinnt man den Eindruck, dass du in Dan verliebt bist. Und dieses Phänomen habe ich die letzten Jahre schon öfters beobachten dürfen. Zu meinem Leidwesen muss ich sagen, denn neben Dan werden Typen wie ich sowieso keines zweiten Blickes gewürdigt.“
Sammy sah ihn wortlos an, dann stand sie auf und sagte leise, ohne auf seine Worte einzugehen:
„Lass uns weiterfahren, ich möchte gerne mittags an meinem Rastplatz sein!“
Larry bekam ein schlechtes Gewissen, als ihm klar wurde, dass sie sich der anderen Frauen in Dans Leben wohl bewusst gewesen war, dieses Wissen aber verdrängt hatte.
Er war herzlos gewesen, sie so mit der Nase darauf zu stoßen! Er stieg also kommentarlos auf das Rad und fuhr ihr hinterher. Dieser Tag war vermutlich gelaufen.
Aber als sie an Sammys Zielort angekommen waren, wurde ihm klar, dass sie seine Bemerkungen nicht als persönliche Kränkung empfunden hatte.
Sie verhielt sich, als sei nichts vorgefallen, als sie ihm begeistert einen zauberhaften Blick über die benachbarten Täler zeigte.
Unter ihnen schlängelte sich ein kleiner Fluss durch frisch ergrünte Wiesen und im Nordosten erhoben sich die weißen Gipfel des Mont Tremblant. Kein Haus, keine Straße, nur unberührte Weite lag vor ihnen.
Larry war immer wieder sprachlos, wenn er Kanadas Landschaft so bewusst wahrnahm. Er liebte sein Heimatland und Italiens Klima fehlte ihm hier sehr oft.
Der Winter war für ihn jedes Jahr wieder eine grausame Umstellung!
Aber diese Weite ohne Menschen machte alles wett. Wenn er so etwas sah, vermochte er es sich nicht vorzustellen, wieder in einem vielbevölkerten Land wie Italien zu leben.
Als hätte sie seine Gedanken erraten, fragte Sammy in diesem Moment neugierig:
„Wirst du nach Ende deiner Ausbi ldung nach Italien zurückgehen?“
Larry lächelte wehmütig:
„Gerade habe ich darüber nachgedacht, wie sehr ich mich an Kanadas Weite gewöhnt habe. Ursprünglich hatte ich es vor zurückzugehen. Aber immer wenn ich so eine Szenerie wie hier erlebe, kann ich es mir nicht mehr vorstellen!“
„War der Tod deines Vaters ausschlaggebend für deinen Berufswunsch?“
„Ja, ausschlaggebend war Vaters Tod bestimmt! Meine Mutter fleht mich an, in Kanada zu bleiben, denn ein engagierter Staatsanwalt in Süditalien hat nicht wirklich eine hohe Lebenserwartung.“
Sammy nickte beifällig.
„Ich kann deine Mutter verstehen! Mein Vater hat mir schon von solchen Vorkommnissen erzählt, nicht nur von Italien natürlich. Er war mal zwei Jahre in Rom, damals durfte ich noch mit. Ich ging noch nicht zur Schule und wurde dann erst mit einem Jahr Verspätung hier in Kingston eingeschult.“
„Sprichst du Italienisch?“
„Naturalmente, Signor Cassone! Darauf hat mein Vater bestanden. `Nimm überall mit, was du kannst! Du wirst nie mehr die Möglichkeit haben, so leicht eine Sprache zu lernen´ war eine seiner häufigsten Reden.“
„Wo hast du noch gelebt? Sprichst du noch andere Sprachen?“
„Deutsch, aber nicht unbedingt perfekt. Als meine Mutter bei dem Autounfall ums Leben kam, lebten wir in der deutschsprachigen Schweiz. Ansonsten natürlich englisch und französisch, meine Mutter- beziehungsweise Vatersprache! Und auf der Uni habe ich Spanisch und einige indianische Dialekte belegt.“
„Und mich nennst du Allroundtalent, das ist ja Wahnsinn! Warum spanisch und indianisch, was hast du beruflich vor?“
„Ich will Journalistin werden und wer weiß, ob ich in Kanada bleiben kann. Außerdem ist Spanisch eine Weltsprache, wie du sicherlich weißt.
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